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Heimat der Wolken und Land der Frauen

Die Khasi im indischen Staat Meghalaya leben bis heute in matrilinearen Gemeinschaften  ■ Fotos von Pedro Citoler

Im äußersten Nordosten von Indien, zwischen Assam und Bangladesch, liegt der kleine Bundesstaat Meghalaya. „Heimat der Wolken“ heißt diese regenreiche Region in wörtlicher Übersetzung. Sie ist zugleich Heimat der Frauen: Die meisten der zahlreichen Völker von Meghalaya – die Khasis, Garos und Jaintias – leben in matrilinearer Ordnung. Zum Volk der Khasi zählen etwa eine Million Menschen. Ihren Frauen gehört der Grund und Boden, sie sind Familienoberhäupter, Hüterinnen des Ahnenerbes und Verwalterinnen des Familienbesitzes. Wenn die Mutter stirbt, erbt die jüngste Tochter und nimmt deren Platz als Verbindungsglied zur großen Ahnmutter im Himmel ein. „Die Heiratsregeln der Khasis sind streng“, sagt Yolanda Nongtu, die an der Universität der Hauptstadt Shillong Geschichte studiert. „Niemals im Leben könnte ich als Nongtu einen Nongtu heiraten. Über die Clanmutter sind wir alle miteinander verwandt. Wenn wir den Namen unserers Vaters tragen würden, ja dann wüßten wir doch bald nicht mehr, mit wem wir verwandt sind.“ Scheidungen sind durchaus üblich. Da nur die Mutterschaft zählt, werden auch uneheliche Kinder nicht geächtet.

In vielen Dörfern leben die Männer im Hause der Mütter und kehren nur abends zu ihren Frauen zurück. „In erster Linie bin ich der Sohn meiner Mutter“, sagt Yolandas Bruder Phervision, „in zweiter Linie Ehemann.“

Spirituelles Oberhaupt ist die „Syiem Sad“, die Königin. Sie ist Hohepriesterin, Schamanin und Heilerin in einem. Kein religiöser Ritus und keine Staatszeremonie können ohne ihren Segen durchgeführt werden. Die 82jährige lebt im Dorf von Smit, 15 Kilometer von der 300.000-Einwohner-Stadt Shillong entfernt. „Es gab Zeiten, da kamen mich viele Menschen besuchen“, sagt sie, „Kranke und solche, die verhext waren. Die Macht, die Geister zu vertreiben, hat Gott nur mir gegeben, nicht allen Frauen.“ Offizielle Ämter bekleiden jedoch die Männer der Khasi. Auch die Königin hat keinen direkten Zugang zur politischen Macht – dafür hat sie den Sohn geboren, der für sie regiert. „Der König ist nur der König“, meint die alte Frau.

Doch die Traditionen der Khasi sind bedroht: Eine steigende Zahl von Einwanderern aus den Nachbarländern sorgt für Spannungen in Meghalaya, die nicht immer gewaltfrei ausgetragen werden. Immer mehr Frauen der Khasi heiraten Fremde, wogegen besonders die jungen Männer der Region zu Felde ziehen. Da sie nur über ihre Ehefrauen in den Besitz zum Beispiel der begehrten Kohlenminen kommen, fürchten sie nun um ihre Pfründe. Hiltgund Jehle

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