Kieler Woche: Heide unter den Seglern
■ Ministerpräsidentin Simonis eröffnet Wasserspektakel
Als Heide Simonis ihren Sylvesterchampagner schlürfte, rechnete sie noch nicht damit, ein gutes halbes Jahr später die Kieler Woche eröffnen zu müssen. Souverän, noch schnell mit maritimen Vokabular ausgestattet, wünschte die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin den 4000 Seglern der 99. Segelwettspiele der Landeshauptstadt „Mast-und Schootbruch“, um sich hernach in ihrer Eröffnungsrede anderen Themen zuzuwenden.
„Europa 93 Angst und Hoffnung“, unter diesem Leitspruch firmiert das Volksfest des Nordens. „Dies ist ein Motto, daß uns allen zu denken gibt. Wir setzen unsere Hoffnung gegen die Angst. Nur Freiheit, Demokratie, Rechtsstaat und Wahrung der Menschenrechte sind tragfähige Fundamente für eine gedeihliche Zukunft. Wir freuen uns, daß so viele ausländsische Mitbürger zu uns nach Kiel gekommen sind,“ äußerte sich die Landesmutter vor 10 000 Zuschauern und Diplomaten, die zuvor, bei der Eröffnung des „Internationalen Marktes“ auf dem Kieler Rathausplatz schon Gelegenheit hatten, allerhand fremdländische Viktualien und Flüssigkeiten wie norwegische Rentierfrikadellen und brasilianischen Batida zu goutieren.
Den sportlichen Auftakt zu den Segel- und Surfveranstaltungen hatte am Sonnabend die traditionelle Aalregatta von Kiel zum benachbarten Eckernförde eingeläutet. Rund 200 Hochseeyachten, begleitet von mächtig alten Booten nahmen unter vollen Segeln das Rennen um die Aaltrophäen auf. Den „bunten“ Auftakt verfolgten in den frühen Morgenstunden hunderte Zuschauer von den Stegen des alten Olympiahafens vor dem Kieler Yacht Club sowie von den zur Besichtigung freigegebenen Windjammern „Gorch Fock II“ und ihrem russischen Mutterschiff „Tovarischtsch“.
Pünktlich zum Wochenende hatten bereits zahllose Vergnügungsstände an der „Kiellinie“ ihre Läden geöffnet, am Sonnabend folgte die „Spiellinie“, unter deren Motto „Weg zum Theater“ zum Mitmachen animiert wurde. Auf der bunten Meile tollten Kinder auf Trampolin und Wasserrutsche herum, vergnügten sich im Kindertaxi und im Tobezelt mit großem Spielgerät. Neben einem kaum überschaubaren Meer an hölzernen Masten und Schiffsrümpfen der Windjammer und Schoner präsentierten sich im Tirpitzhafen ein Dutzend Marineeinheiten aus zehn Nationen mit viel militärischem Gedöhns. Erstmals ist bei einer Kieler Woche eine Einheit russischer „Blauer Jungs“ mit Schiffsbesatzungen der Nato zusammengetroffen. Unter Salutschüssen lief der Zerstörer „Nastojtschiwi“ in Kiel ein.
Bei Wirtschaftsgesprächen in Kiel erklärten Vertreter aus fünf Ostsee-Anrainerstaaten, eine Chance für die Region liege in dem Zusammenwachsen des gesamten Wirtschaftsgefüges. Die Wirtschaftsvertreter forderten eine Aufnahme der baltischen Länder in die EG ohne Beeinträchtigung des erfolgreich angelaufene Freihandels durch die starren EG-Strukturen. kader
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