Heft für Heteromänner ab 45: Leise Ahnung im Vorfeld

Ein neues Magazin widmet sich einer Zielgruppe, die sich in öffentlicher Wahrnehmung und Wertschätzung zu kurz gekommen fühlt.

Portrait von Robert Habeck, der am Kabinettstisch sitzt

Robert Habeck als Role Model des flotten Mittelalten? Foto: Markus Schreiber/ap

Millionen Männer „im besten Alter“ legen erleichtert ihre uralten „Fix und Foxi“-Hefte beiseite. Denn nun gibt es für sie endlich ein eigenes, auf sie und ihre Bedürfnisse (Essen, Erklären, Restharnprobleme?) zugeschnittenes Magazin: Die (der/das?) Monsieur.

Erschien der Ableger der Zeitschrift Madame für „Frauen in der Lebensmitte“ bislang als unregelmäßige Modebeilage seiner Medienmutti, wird es ab 15. März von der Münchener Looping Group als selbstständig konzipiertes Heft herausgegeben. Bei einer Auflage von 45.000 Exemplaren erscheint es zunächst vierteljährlich.

Alexandros Stefanidis, der Chefredakteur von Monsieur, kündigt, hier noch auf der Website von Madame, doch gewiss bald schon auf eigener Seite, an: „MONSIEUR schreibt, denkt nach und arbeitet für Männer ab 45 Jahren mit klarem Wertekanon.“

Aber haben den nicht ohnehin fast alle Männer im angesprochenen Alter? Oft sogar einen unangenehm (Doppelkorn!) klaren: Man weiß noch, wo im Dorf die Kirche steht, und dass man sie besser dort lassen sollte. Dass Frauen Frauen sind, und Männer Männer. Und dass man das doch bitte noch sagen dürfen sollte. Das riecht nach einer ziemlich großen Zielgruppe. Hoffen wir, dass Monsieur uns Lügen straft und die beim Lesen des Wortes „Wertekanon“ hochgerollten Fußnägel mittels kluger und sensibler Inhalte am Ende wieder glattbügelt.

Sternhagelvoll weiser Gedanken

Doch leider stellt sich bereits im Vorfeld eine leise Ahnung von Mimimi ein, wenn Stefanidis gegenüber der Medienfachzeitschrift Horizont von der „vernachlässigten Zielgruppe der Hetero-Männer ab 45 Jahren“ spricht. Es gehe „um die Sehnsucht nach einer Männlichkeit, die sich weder verleugne noch anbiedere“.

Hier klingt er wieder an, der grimme Freund Wertekanon, und es fällt so entsetzlich schwer, ein Produkt nicht jetzt schon zu zerreißen, das uns ja bislang noch gar nichts getan hat. Wer weiß denn, ob es nicht sternhagelvoll weiser, bescheidener und emanzipativer Gedanken sein wird? Wollen wir ihm nicht einfach eine Chance geben? Hat die nicht auch der vernachlässigste alte Hetero verdient? Ganz davon abgesehen, wäre er auch von der Straße runter, wenn er zu Hause friedlich in der neuen Monsieur blättert. Und nicht in Waffen- oder Autoheftchen. Wäre das nicht ein Gewinn für ihn, wie für uns alle?

Wahrscheinlich nein. Denn wenn bei der Zielgruppe von „konsumfreudig und souverän“ die Rede ist, sowie von „Vorlieben, die sie sich auch von Trends nicht ausreden lässt“, denkt wohl nur ein Schelm dabei nicht an „freie Fahrt für freie Bürger“. Da kann Robert Habeck als Role Model des flotten Mittelalten noch so erotisch vom Cover der ersten Nummer schmunzeln.

Immerhin hat Monsieur nichts gegen Madame: „‚Monsieur‘ ist wahrscheinlich das erste Männermagazin weltweit, das aus der Rippe einer ‚Frau‘ entstanden ist“, beschreibt Stefanidis mit biblischer Kraft seine weibliche Geburtshelferkröte.

„Wolf“, „Cord“, Altpapier

„Wahrscheinlich“ ist das Lieblingswort des der Recherche müden Journalisten. So etwas gab es nämlich durchaus schon mal: Das weibliche Achtsamkeitsmagazin Flow bekam im Jahr 2016 durch einfache Umstellung der Buchstaben den männlichen Ableger Wolf für den sensiblen Mann mit selbst gehäkelten Eierwärmern. Die Zielgruppe war jünger als die von Monsieur – Körperhygiene, Sex und Zukunft waren für sie folglich keine Fremdworte.

Lesen wollte das Heft anscheinend trotzdem keiner: Aus Wolf wurde Cord, aus Cord wurde Altpapier. Das Magazin wurde schließlich eingestellt. Droht Monsieur das gleiche Schicksal? Wir werden sehen.

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