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■ UrDrüs wahre KolumneHeavy Handy User

Entsetzt hat mich der Bericht von den schleichenden Zerfallserscheinungen der Wilden Liga Bremen: In einer Zeit, in der das Profi-Kicken immer mehr zum Deppen-Nepp wird, müssen die wahren Fußballgötter schließlich an der Basis auf dem grünen Rasen oder dem harten Ascheplatz wieder auferstehen! Und so werde ich denn für den angedachten Nordpokal eine Trophäe stiften, die Meister Propper schon bald im Vereinslokal austellen kann. Möge dieses silbrige Monstrum die Jugend der Welt und insbesondere Norddeutschlands bewegen, in die Puschen zu steigen und ohne den Segen des DFB nach dem Leder zu treten: ist doch besser als Graffiti-Schmieranz, Golfspiel, Formel 1 oder was perspektivlosen Menschen sonst noch so einfällt an grobem Unfug.

Also, wie diese Umfrage der Schüler-Union zur GSV gelaufen ist, kann sich jeder vorstellen, der in die clerasilgereinigten Jungmanager-Visagen dieser Heavy Handy User blickt: Da nimmt doch ein jegliches wackeres Menschenkind Reißaus, das solcher Buchclub-Werber angesichtig wird, und übrig bleiben für die Meinungsforscher im eigenen Auftrag nur die Doofen, die Wehrlosen und die Gleichgesinnten. Später geht sowas dann zu Allensbach und ermittelt Hartmut Perschau als den Typ, dem 98 Prozent aller Wähler einen Gebrauchtwagen ohne Probefahrt abkaufen würden: Bescheißt euch nur selbst!

Irgendein Mietnikolaus strolcht durch die Fußgängerzone, um kariesfördernde Leckereien zu verteilen. Während brave Kindergarten- und Grundschulkinder geduldig auf die kleine Bescherung warten, zeigen einige Rotzgören aus der 4. und 5. Klasse ihre Eignung für die Ellbogengesellschaft, indem sie die Kleinen mit gezielten Stößen und Schubsereien verdrängen. So in meinem Gerechtigkeitssinn herausgefordert, weise ich die Jungs darauf hin, dass solche Nikoläuse mitunter auch die strafende Rute schwingen und erfahre Zeitgeist live: „Dann kommt meine Mutter und schlägt den zusammen und dann gibt's auch noch 'ne Anzeige. Oder ich hau dem Alten das Messer in den Bauch ...“ Ist es also im neuen Doitschland schon gefährlich geworden, mit weißem Bart und in rotem Mantel aufzutreten? Fight back!

Er muss ein sehr guter Mensch sein, dieser Reklamedichter, der uns im Schaufenster eines Gröpelinger Reisebüros mit diesen Zeilen in seine Seele blicken lässt: „Ob nach Ägypten, Kenia oder der Türkei / Mit uns ist man zum Weihnachtstermin mit wenig Geld / auf der ganzen schönen Welt dabei / Zu diesen schönen Friedenstagen / kann das Reisen wohl behagen / Und wünschen wir viel Segen / für Urlaub ohne Regen.“

Warum Innensenator Bernt Schulte & Co. die Ortsamtsleiter mit dem Rotstift abschaffen wollen, würde ein jederzeit durchführbares Experiment etwa auf dem Wochenmarkt in Walle oder Findorff verdeutlichen: Wenn man diesen Griesegrau dort neben den aus gutem Grund bei Jung und Alt beliebten Ortsamtsleiter Bernd Peters durch die Gassen gehen ließe – glatt würden Grünkohlverkäufer, Gänseschlachter und Wurstesser dutzendweise fragen, wer denn der olle Stiesel neben „Bürgermeister Peters“ sei. Tja – und die Erkenntnis der eigenen Bedeutungslosigkeit im breiten Volk, die mögen die Großkopferten aller Taubenschläge natürlich nur sehr ungern ...

Immer wenn in dieser oder anderen Bremer Tageszeitung die Schlagzeile „Köllmanns Frist läuft ab“ zu lesen ist, schaut man besser ganz genau hin, ob da nicht ein Artikel aus dem Stehsatz des vorigen oder vorvorigen Jahres ins Blatt gerutscht ist. Die Art und Weise, wie die vermeintlich Regierenden sich von dieser Ocean Park-Gurkentruppe als „Junge Leute zum Mitreisen“ verarschen lassen, kann nur mit völliger Korruptheit oder abgrundtiefer Blödheit erklärt werden. Selbst in der Werbung für den Mediamarkt jedenfalls kämen dem geneigten Publikum solche Typen ein bisschen krass vor.

Glühwein auf dem Bremer Weihnachtsmarkt im Keramikbecher ohne Eichstrich: Amtliche Formalkacker, die sich über sowas aufregen können und nix gegen den Ausschank schaler Biere zu Apothekerpreisen auf sogenannten Viertelfesten unternehmen, solche örtlich Bediensteten werden künftig mit dem Verdacht leben müssen, willfährige Dienstmänner im System der universellen Gesamttücke zu sein. Gibt als Gruß zum 3. Advent zu bedenken

Ulrich „Eisenfuß“ Reineking

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