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Hausverbot für „Gesichtskundler“?

■ Antifa-Hochschulgruppe fordert Absetzung der Menschenkenntnis-Vorlesung

„Nicht an der Nase, an Ihren Reden erkennen wir RassistInnen!“ - Schwere Angriffe von der Antifagruppe der Uni Hamburg an die Adresse des „Psycho-Physiognomen“ Theodor A. Werner. Ende September protestierten die Studis wiederholt mit Spruchband und Mikrophon gegen dessen Vorlesungsreihe zum „programmierten Lernen von Menschenkenntnis durch Körper-, Kopf- und Gesichtsausdruckskunde“.

Schon seit über zehn Jahren vermietet die Uni ihre Hörsäle an den „Gesichtskundler“. Fast ebenso lange versuchen Studierende diese Veranstaltung vom Campus zu verbannen. Der Vorwurf: Der selbsternannte Dozent verbreite rassistisches und faschistoides Gedankengut. Daher forderte die „hochschul-antifa“ Anfang September den Uni-Präsidenten zur Rücknahme der Raumzusage für Werner auf. „Durch die Erlaubnis, an der Uni abgehalten zu werden, wird der Veranstaltung ein Anstrich von Seriosität verliehen, den sie nicht verdient“, erklärte die Gruppe.

Das Uni-Präsidium scheint nun einzulenken. Uni-Sprecher Jörg Lippert teilte mit, daß derzeit eine Überprüfung der Raumvergabe an Werner stattfinde. Nur wenn weiterhin ein „öffentliches Interesse“ bestehe, würde eine erneute Raumvergabe an Werner erfolgen. Das Präsidium nehme aber die Proteste gegen Werner ernst. Allerdings könne die diesjährige Vortragsreihe „aus Vertragsgründen“ nicht abgebrochen werden.

Ein Besuch der Veranstaltung zeigte denn auch, daß die Kritik an Werner nicht unbegründet ist: Da werden dem Hörer Erläuterungen esoterischer Begriffe aus der „Psycho-Physiognomie“, geschickt mit Zitaten von Nobelpreisträgern gespickt, um die Ohren gehauen. Und biologische Prozesse, wie die Zellteilung, müssen für die Entstehung von Magnetfeldern und elekritischer Spannung herhalten.

Die so pseudowissenschaftlich hergeleiteten „Grundformen der Materie“ „Medioma“,“Od“, Magnetismus, Elektrizität und „Helioda“ stehen nach Werner für menschliche Eigenschaften wie Genußfreude, Willensstärke oder Sensibilität. Vorhandene Vorurteile subtil ausnutzend, bringt der „Menschenfreund“ Werner sogleich Beispiele: „Querulant“ Paul Breitner mit seiner Lockenmähne als von der „Elektrizität“ bestimmtes aggressives Bewegungs- und Tat-Naturell oder Deng-Xiao-Ping mit derben Fettpölsterchen an Wange und Nase. „Kein Wunder, daß dieser mediome Typ die demokratische Entwicklung in Peking verhindert hat“.

Entlarvend wird die ganze Vorstellung aber, wenn per Dia ein blonder Junge mit „strahlendem Gesicht und feinporiger, aufnehmender Haut“ als sensibles und feinfühliges Empfindungs-Naturell beschrieben und ein dunkelhäutiger, schwarzhaariger Junge mit „odischen Gesichtszügen“ als zu „Gemütlichkeit und geringer geistiger Tätigkeit neigend“ charakterisiert wird.

Die „Lehrinhalte“ Werners basieren auf den im Seminar angebotenen „Grundlagen der Menschenkenntnis Band 1 und 2“ von Amandus Kupfer (1879-1952). Der Autor benutzte die Lehre der „Psycho-Physiognomie“ schon im Dritten Reich zur Diskriminierung des Judentums. „Die Habichts- oder jüdische Nase“, so Kupfer in einem seiner Werke, deute auf List, Habsucht und Härte. Sie kennzeichne „überentwickelte Willensimpulse, die bis zur verbrecherischen Durchführung gehen kann.“

Jörg-Uwe Kerstein

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