Hausprojekt gegen Gebühren: Ein Rundfunkbeitrag für 43 Personen
Ist ein Hausprojekt mit zwei mal vier Etagen eine große Wohngemeinschaft? Die Klage läuft, die Erfolgschancen stehen gut.
Ein Berliner Hausprojekt mit 43 Bewohnern will nur einen einzigen Rundfunkbeitrag für alle bezahlen. Begründung: Es sei eine große „Wohngemeinschaft“. Den Streit mit dem Beitragservice (Ex-GEZ) des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss jetzt das Verwaltungsgericht Berlin entscheiden.
Die Frage, was eine Wohngemeinschaft ist und wie groß sie sein darf, stellt sich erst seit 2013. Bis dahin wurden ARD, ZDF und Deutschlandradio über Rundfunkgebühren finanziert. Zahlen musste jeder, der ein empfangsbereites Gerät besaß. Seit 2013 gibt es den leichter abzurechnenden Rundfunkbeitrag. Zahlen muss nun jeder Wohnungsinhaber. Grundlage ist ein Staatsvertrag der Bundesländer.
Pro Wohnung werden derzeit 17,50 Euro pro Monat fällig. Über 44 Millionen Wohneinheiten in Deutschland sind betroffen. Dass auch Personen zahlen müssen, die keine öffentlich-rechtlichen Sender nutzen, gilt schon lange. Jetzt hilft aber auch die Behauptung nicht mehr, man besitze überhaupt kein Empfangsgerät. Ob diese Reform verfassungskonform ist, wird nächstes Jahr das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Vor allem rechte Kreise haben eine Kampagne gegen den „Zwangsbeitrag“ gestartet. Bisher hat Karlsruhe den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aber immer unterstützt, weil er wichtig sei für die Demokratie.
Die Bewohner der Kohlfurter Straße 40 in Berlin-Kreuzberg argumentieren nicht grundsätzlich gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Sie wenden sich auch nicht gegen das neue Beitragsmodell: Sie sehen gerade im Anknüpfen an die „Wohnung“ die Chance, ihre Beitragslast deutlich zu reduzieren.
43 WG-Angehörige, davon acht Kinder
Wohngemeinschaften sind ohnehin die großen Gewinner der Reform. Musste früher jeder Mitbewohner seine eigene Rundfunkgebühr bezahlen, ist jetzt pro WG nur noch ein Beitrag fällig. Die Berliner sagen nun, ihre ganzes Hausprojekt sei eine einzige Wohngemeinschaft.
Konkret leben 43 Personen in der Kohlfurter Straße 40, davon acht Kinder. Im Vorderhaus sind vier Etagen bewohnt, im Hinterhaus vier weitere. Die Bewohner streiten dabei nicht nur für sich, sondern auch für andere. „Allein in Berlin kennen wir acht ähnliche Hausprojekte“, sagt die Musikerin Anke Wisch, die auch in der Kohlfurter Straße wohnt. „Wir finden es ignorant, dass unsere Wohnform nicht als WG anerkannt wird.“
Der Staatsvertrag definiert nicht, was eine Wohngemeinschaft ist. Das Wort taucht dort überhaupt nicht auf. Entscheidender Begriff ist dort die „Wohnung“, und auch das wird nicht bis ins Letzte bestimmt. Zwei Punkte aber sind wichtig: Die Wohnung ist „unabhängig von der Zahl der darin enthaltenen Räume“. Und sie muss durch einen „eigenen Eingang unmittelbar von einem Treppenhaus, einem Vorraum oder von außen“ betreten werden.
Haustür als „eigener Eingang“
Für Marten Mittelstädt, den Anwalt des Projekts, ist der „eigene Eingang“ die Haustür zur Kohlfurter Straße 40. Diese Tür ist abschließbar. Sie stelle sicher, dass „fremde“ Personen keinen freien Zugang zum Projekt habe. Hinter dieser Tür beginne der kollektiv genutzte Privatbereich. Die Etagen seien für alle Bewohner „ungehindert zugänglich“.
Anke Wisch erklärt: „Wir haben eine zentrale Gemeinschaftsküche im Erdgeschoss des Hinterhauses. Dort kocht jeden Abend jemand anderes und alle können mitessen.“ Die Etagenküchen würden dagegen nur gelegentlich genutzt. Auch die sanitären Anlagen seien nicht exklusiv bestimmten Etagen zugeordnet. „Wenn in meinem Stockwerk das Bad besetzt ist, dann gehe ich eben in eine andere Etage“, erzählt Anke Wisch.
Das Projekt hat dem Beitragsservice bereits die Räumlichkeiten gezeigt, konnte ihn dabei aber nicht überzeugen. Deshalb wurde Ende Juli Klage beim Verwaltungsgericht Berlin eingelegt. Ein Verhandlungstermin steht noch nicht fest. Stattdessen hat der Beitragsservice eine außergerichtliche Lösung vorgeschlagen. Danach sollen die Bewohner „für jede bewohnbare Etage“ einen Rundfunkbeitrag bezahlen. Das wären dann acht Beiträge für 43 Personen. Vermutlich werde man auf das Angebot nicht eingehen, sagt Anke Wisch.
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