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Hausmeister am „Ende der Bescheidenheit“

Lautstarke Demonstration in Niedersachsen / Für leistungsgerechte Bezahlung und weniger Arbeitszeit / Tarifvertrag für Schulhausmeister datiert von 1964 / Anforderungen sind „enorm gestiegen“ / Wartung komplizierter Elektronik erforderlich  ■  Aus Osterode Reimar Paul

„Kaum jemand wird schlechter bezahlt und muß mehr arbeiten als wir.“ Der Hausmeister einer ostfriesischen Schule ist sauer: 60 Stunden pro Woche, manchmal mehr, ist er im Dienst. „Unser Lohn“, beklagt sich der 53jährige, „liegt fast auf Hilfsarbeiter-Niveau.“ Und es bestehe kaum eine Chance, daß sich daran vor der Rente etwas ändert, „wenn wir jetzt nicht Dampf machen.“

Knapp tausend Schulhausmeister mögen es gewesen sein, die sich in dem Harzkurort Osterode zu einer bunten und lautstarken Demonstration versammelten, um das „Ende der Bescheidenheit“ - so ein Transparent - zu verkünden. „Wir werden nach einem Tarifvertrag von 1964 entlohnt“, erläutert Tilo Schlößer, ein Grundschulhausmeister aus Bad Lauterberg, den staunenden Kurzurlaubern den Grund für den Protestzug. „Der schreibt noch die 50-1/2-Stunden-Woche fest und sieht keinerlei Bewährungsaufstieg vor.“ Das heißt: Wer bei der Einstellung in eine bestimmte Tarifgruppe gelangt, in der Regel BAT 8 bis 10, bleibt sein Arbeitsleben lang darin. Ein Arbeitsleben, das zudem „mit extrem hohen Belastungen verbunden ist“, wie ein anderer Kollege ergänzt.

In ihrer knapp bemessenen Freizeit müssen die meisten Hausmeister noch Lehrküchen und Turnhallen betreuen oder bei Sportfesten Getränke ausschenken. Auch die fachlichen Anforderungen seien „enorm gestiegen“, sagt Schlößer. Während es in den Klassenzimmern früher allenfalls die Tafeln zu wischen und den Kreidenachschub zu organisieren galt, müßte heute „komplizierte Elektronik“, vom Videorekorder bis zum Personal-Computer, betreut und gewartet werden.

Auch andere Vergünstigungen wie preiswerter Wohnraum sind in den letzten Jahren weggefallen. Im Gegenteil, für Dienstwohnungen muß inzwischen häufig mehr berappt werden als auf dem freien Markt.

Seit Jahrzehnten versuchen die Hausmeister des Landes, mit den kommunalen Arbeitgebern Tarifverhandlungen aufzunehmen. Doch mit dem Verweis auf knappe Kassen wurden alle Gesprächswünsche schon im Vorfeld abgebügelt. Jetzt ist die Geduld der Kollegen erschöpft.

Die Demonstration zum Osteroder Kreishaus Oberkreisdirektor Böttcher ist gegenwärtig Vorsitzender des Verbandes Kommunaler Arbeitgeber - soll dabei nur der Anfang gewesen sein. Ein Kundgebungsredner: „Wir haben noch ein ganzes Arsenal von Möglichkeiten, um den Herren zu zeigen, wie die Durchsetzungskraft von Schulhausmeistern aussieht.“

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