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„Hauptsache neues Stadion, egal zu welchem Preis“

■ FC St. Pauli spielt demnächst vielleicht in einer „Multifunktionalarena“ mit Basketball und Eishockey. Manche fürchten um die Stehplätze. Gestern zum Rückrundenauftakt in Fürth gab es erst einmal ein 0:0

Nachfragen, wie der FC St. Pauli den für den Stadionneubau dringend benötigten Vermarkter an Land ziehen wolle, wurden im Umfeld des Vereines in letzter Zeit zunehmend vage beantwortet. Tenor: Auf die Namen konkreter Kandidaten wolle man sich nicht festlegen lassen. Und überhaupt gäbe es „vielleicht noch ganz andere Optionen“, wie von Offiziellen-Seite zu hören war. Was mit letzteren gemeint sein könnte, ist seit diesem Wochenende etwas weniger kryptisch als zuvor.

Nach Informationen des Hamburger Abendblattes liegt ein völlig neues Konzept zum Stadion-Neubau vor. Demnach soll die „Bavaria Objekt Betreuung“, eine hundertprozentige Tochter der „Berliner Bank“, ein Konzept erarbeitet haben, das den Bau einer multifunktionalen Mehrzweckhalle vorsieht. Diese könnte als Spielstättte der Ligamannschaft fungieren – und „nebenbei“ als Austragungsort für Konzertveranstaltungen und andere Sport-Events (Eishockey, Basketball) dienen.

Im Gegensatz zu dem bisher von Heinz Weisener favorisierten Konzept, das in unterschiedlichen Varianten seit Jahren in der Diskussion ist, wäre der FC St. Pauli nicht mehr mehrheitlicher Besitzer und Betreiber des Stadions. In dem Bavaria-Konzept brächte der mit fast sieben Millionen Mark verschuldete Club das Stadiongelände stattdessen in die neu zu gründende Betriebsgesellschaft ein. Das Areal, so das Planspiel, könnte dem Verein vorher von der Stadt für 50 Jahre überschrieben werden.

Das Projekt, dessen Umsetzung mit Kosten von 160 Millionen Mark veranschlagt wird, soll primär über die Einnahmen aus den „Fremdveranstaltungen“ refinanziert werden. Desweiteren sieht das Konzept vor, dass der Verein die Marketingrechte für zehn Millionen Mark von Präsident Heinz Weisener zurückkauft. Das Geld käme von dem Bankenkonsortium. Befürworter dieser Pläne argumentieren, der Verein könne so mittelfristig von fremdem Kapital unabhängig werden, indem er z.B. die zurückgekauften Marketingrechte befristet einer Agentur überließe und im Gegenzug von dieser ein Darlehen erhielte. Mit diesem - im Gespräch ist die Summe von 25 Millionen Mark - könnten neue Spieler gekauft werden und - so die optimistische Version - das Überleben im Profifußball sicher gestellt werden.

Hingegen sehen Kritiker der neuen Entwicklung die Gefahr, dass sich der Verein „verkauft“. Der Fanbeauftragte, Hendrik Lüttmer griff am Samstag in der Pause des Spieles der Amateure gegen den SC Norderstedt zum Mikrofon und forderte kritische Fans auf, „sich beim Fanladen zu melden“. Es könne nicht angehen, dass sich in der Fanszene eine Haltung nach der Devise breitmache „Hauptsache ein neues Stadion, egal zu welchem Preis“. Nach dem „neuen“ Konzept, so Lüttmer, wäre der Verein nur noch Gast im eigenen Stadion. Genau dieser Umstand stört auch den ehemaligen Aufsichtsrat Holger Scharf: „Das ist ein Rückgriff in die Mottenkiste, der die Probleme des Vereins nicht lösen wird. Abgesehen davon, dass es wieder fünf Jahre dauern würde, bis so etwas genehmigt wird, ist die Frage, was von den ursprünglichen Stadionplänen übrig bleibt. Mir schwant da schon ein reines Sitzplatzstadion.“

In einem althergebrachten Fußballstadion, das dafür den skurrilsten namen der 2. Liga hat, gab es gestern nachmittag das, was es im Fürther Playmobilstadion fast immer zu sehen gibt: Der FC St. Pauli war beim 0:0 schon der achte Club, der mit Remis aus Franken zurückgekommen ist. Die Fürther dominierten die Partie von Beginn an, während sich die Reimann-Eleven bis zur Halbzeit nicht eine einzige Torchance erspielten. Torwart Carsten Wehlmann blieb es zu verdanken, dass es noch zur Halbzeit 0:0 stand. Bei einem Schuss von Cars-ten Klee (33.)war jedoch auch der Blondschopf geschlagen. Seinen Part übernahm zum Glück für St. Pauli jedoch Jean-Clotaire Tsoumou-Madza, der den Ball in letzter Sekunde von der Linie beförderte. Chancen für Pauli? Auch in der zweiten Hälfte nicht so dolle. Klasnic (52.) vergab noch die beste.

Christoph Ruf

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