■ Weitere sofortige Schritte zur Friedenslösung für Bosnien: Hauptsache, das Ergebnis stimmt
Alle können ihr Gesicht wahren und sich als Vater des Erfolges rühmen. Rußland, weil es den Abzug der schweren Waffen der Serben mit „politischen“ Mitteln erreichte. Serbenführer Karadžić, weil er „den Vorschlag von Präsident Jelzin akzeptierte“, sich aber nicht den „Nato-Drohungen“ mit Luftangriffen beugte. Und die Nato, weil sie nicht in die Verlegenheit kommt, diese ohnehin nie ganz ernsthaften Drohungen umsetzen zu müssen. Sei's drum. Auch die Frage, warum ein solches Arrangement nicht schon viel früher möglich war, ist müßig. Hauptsache, das Ergebnis stimmt.
Dabei darf es allerdings nicht bleiben. Sollte die Belagerung Sarajevos nach nunmehr fast 23 Monaten tatsächlich zu Ende gehen, ist zwar ein wichtiger, aber nur ein allererster Schritt getan zu einer Friedenslösung für Bosnien-Herzegowina. Gerade weil Sarajevo von so großer symbolischer Bedeutung ist, droht die Gefahr, daß die weltweite Aufmerksamkeit nach diesem Schritt wieder abflaut und der Druck der Öffentlichkeit für die nächsten Schritte fehlt. Das wären zunächst einmal die Aufhebung der Belagerungen all der anderen eingeschlossenen Städte und Bevölkerungsgruppen. Wenn nötig, mittels derselben Kombination aus militärischen Drohungen und diplomatischem Zusammenspiel zwischen UNO, USA und Rußland vor und hinter den Kulissen, die jetzt im Fall Sarajevo offensichtlich Erfolg hatte.
Doch die größte Hürde für eine Friedenslösung ist, daß die internationale Staatengemeinschaft dafür immer noch kein gemeinsames Konzept hat. Die beiden Modelle, welche die beiden Bosnien-Beauftragten Washingtons und Moskaus, Redman und Tschurkin, den bosnischen Kriegsparteien sowie den Regierungen in Zagreb und Belgrad in dieser Woche vorgelegt haben, sind zwar für Kroaten und Muslime relativ besser als der bislang bei den Genfer Verhandlungen von UNO und EU unterbreitete Dreiteilungsplan. Doch sie sind eben auch nur Varianten dieses Dreiteilungsplanes und enthalten dieselben Grundübel. Ethnische und kulturelle Zugehörigkeit sind auch in diesen Modellen Kriterien für die Verteilung von Territorien und politischer Macht. Zudem bleiben auch diese beiden Modelle der Illusion verhaftet, eine auf Bosnien- Herzegowina isolierte Friedenslösung sei möglich und könne auf Dauer Bestand haben. Gerade die jüngste, von Athen betriebene Eskalation zwischen Griechenland und Makedonien unterstreicht jedoch, daß nur ein Verhandlungsansatz, der die ganze Balkanregion umfaßt, zu einer auf Dauer tragfähigen Friedenslösung für alle Staaten und Völker Südosteuropas führen kann. Kommen hierzu jetzt keine Initiativen, könnte auch der „Frieden“ in Sarajevo bald wieder vorbei sein. Andreas Zumach, Genf
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