: „Haste eene mitjenomm'n“
■ Dreieinhalb Jahre Haft für 51jährigen Elektriker, der seine Nachbarin mehrfach vergewaltigt hatte / Täter und Opfer wohnen allein in einem Seitenflügel in Kreuzberg
Vor der 20. Strafkammer des Landgerichts mußte sich jetzt ein 51jähriger Elektriker wegen des Vorwurfs verantworten, seine 21jährige Nachbarin am 10.Februar mehrfach vergewaltigt zu haben. Der Prozeß endete mit einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren. Dem Angeklagten wurde eine verminderte Schuldfähigkeit wegen ausgiebigen Alkoholkonsums zugebilligt. Die Tat geschah im Seitenflügel des Hauses Köpenicker Straße 9b in Kreuzberg. Weil das Haus in kürze saniert werden sollte, waren nur noch das dritte und vierte Stockwerk vermietet und von dem Angeklagten Rolf K. und der angehenden Studentin Claudia P. bewohnt. Rolf K. wohnte in der vierten Etage, und Claudia P. nutzte die dritte Etage seit Anfang Februar als Maleratelier. Beide kannten sich bis zum 10. Februar nur flüchtig vom Sehen. An diesem Tag klopfte der Angeklagte nach einer ausgiebigen Zechtour gegen 23 Uhr sturzbetrunken bei seiner Nachbarin an und lud sie zu sich nach oben zum Essen ein. Claudia P. schlug die Einladung aus. Vor Gericht sagte sie dazu jetzt als Zeugin: „Ich war hundemüde, weil ich 24 Stunden durchgearbeitet hatte, außerdem schwante mir, das er etwas anders von mir wollte.“ Kurze Zeit später kam Rolf K. zum zweiten Mal und trat nach einer erneuten Abfuhr kurzerhand die Wohnungstür ein. Er zwang Claudia P. mit einem Brotmesser mitzukommen. „Mir war klar, daß ich im Seitenflügel allein mit ihm war, und daß die Haustür unten verschlossen war. Trotzdem habe ich versucht wegzurennen“, schilderte Claudia P., wie sie dem Mann zu entkommen suchte. Aber der Angeklagte holte sie im Treppenhaus ein. Claudia P., die fast einen ganzen Kopf kleiner ist als der Angeklagte, brach mit einem Weinkrampf zusammen. Sie wurde von dem Mann nach oben gezerrt und dort mehrfach vergewaltigt. „Ich habe die ganze Zeit geheult und mir tausend Sachen überlegt, was ich machen kann, um rauszukommen“, beschrieb sie, was in ihr vorging. Nachdem sie mehrere Stunden geweint hatte, schlief sie in der verbarrikadierten Wohnung des Angeklagten ein und wurde erst am späten Vormittag des nächsten Tages wieder wach. Der wieder nüchterne Rolf K. bot ihr Frühstück an, wobei er etwas in dem Sinne nuschelte wie, er sei „ein verdammtes Schwein“. Er ließ Claudia P., die das Frühstück ablehnte, anstandslos gehen. Die junge Frau rannte in ihr Atelier, um Schlüssel und Geld zu holen, und dann aus dem Haus, um die Polizei zu rufen. Damit der Angeklagte in der Zwischenzeit nicht entkommen konnte, ließ sie den Durchsteckschlüssel von außen in der Haustür stecken. Rolf K. hatte sich vor Gericht damit herauszureden versucht, ihm fehle „vollkommen die Erinnerung“. Am nächsten Morgen habe er sich zwar auch gewundert, daß seine Nachbarin bei ihm „im Bette“ lag, sich das dann aber so erklärt: „Warste besoffen, haste eene angequatscht und mitjenomm'n.“
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