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Archiv-Artikel

LESUNG Hassenswerter Hass

Von MATT

Nur eine einzige Person hat Umberto Eco für seinen neuen Roman „Der Friedhof in Prag“ (Hanser, 528 S., 26 Euro) erfunden. Die aber hat es in sich: Nicht weniger als die ausdrücklich „hassenswerteste Figur aller Zeiten“ soll der Frauen, Jesuiten, Freimaurer und vor allem Juden hassende Simon Simonini sein, der ultimative Bösewicht – und bei aller Fiktion, die Eco bei seiner Analyse der fatalen Wirkungsmacht von Fälschung und Lüge aufbringt, nicht minder real, als all das ein weiteres Mal so einschüchternd umfangreich recherchierte historische Personal: Immer noch mitten unter uns lebe der ekelerregende Antisemit, anhand dessen sich Eco Entstehungs- und Wirkungsgeschichte der „Protokolle der Weisen von Zion“ ausmalt. Umumstritten konnte Ecos Projekt nicht bleiben: Der Vatikan wittert einen „Voyeurismus des Bösen“, andere warnen vor der Missverständlichkeit all der beschriebenen antisemitischen Ausbrüche. Denn gerade darum geht es Eco: Intelligenz ist banal, faszinierend ist die Dummheit. Heute Abend liest Eco aus „Der Friedhof in Prag“. MATT

■ Do, 20. 10., 20 Uhr, Thalia Theater, Alstertor 1