Hartz-IV-Proteste: Polizei nimmt Olaf Scholz fest
Die Polizei verhindert bei einem Erwerbslosenprotest, dass Farbeier auf die Fotos von Hartz-IV-Vordenkern geworfen werden. Das stelle eine Beleidigung dar.
Bei der Kundgebung gegen Hartz IV am Montagmorgen ging es hoch her. Denn in einem Überraschungscoup konfiszierte die Polizei die Fotos der drei Hartz-IV-Vordenker Peter Hartz, Wolfgang Clement und Olaf Scholz, die auf Podesten hinter dem Brandenburger Tor aufgestellt waren. Geplant war, diese im Verlauf der Protestaktion mit roten Farbbällen zu bewerfen.
Konterfeis mit Farbe zu bewerfen erfülle den Straftatbestand der Beleidigung, hatte das Rechtsreferat der Polizei beschieden. Im Jargon des Einsatzleiters der Polizei vor Ort wurde daraus: "Ein mögliches Werfen mit Farbe könnte einen möglichen Straftatbestand darstellen." Damit es erst gar nicht so weit kommen konnte, nahmen die Beamten in einem unbeachteten Moment die Bilder mit.
Nur Benedikt Ugarte vom Berliner Sozialforum, das neben Erwerbsloseninitiativen und der Gewerkschaft zum Protest aufgerufen hatte, stand ungünstig daneben. Er wurde zur Seite geschubst. Dabei ging seine Kamera zu Bruch. Er protestierte und machte die Demonstranten auf die subversive Aktion der Polizei aufmerksam. Tumult und "Eins, zwei drei, lasst die Bilder frei"-Rufe folgten. "Das ist ein grober Verstoß gegen das Demonstrationsrecht", kritisierte Peter Grottian, emeritierter Professor und Mitglied des Sozialforums, den Einsatzleiter. Gleichzeitig bestätige die Aktion der Polizei seine These: dass nämlich dem Bewerfen eines Politikers großer symbolischer Protestgehalt innewohnt. So groß, dass die Polizisten sich zur Leibgarde von Politikerfotos machen ließen.
Peter Hartz - die Reform des Arbeits- und Sozialhilfegesetzes ist nach ihm benannt - hatten die Akteure des Protests gewählt, weil er für andere fordert, was er selbst nicht erfüllt, wie ein Aktivist sagt. Als "größter politisch bestellter Täuscher", als "erbärmlichste Lichtgestalt der Leistungselite" wird er auf dem Sockel unter seinem Foto bezeichnet. Exarbeitsminister Wolfgang Clement hingegen werfen die Protestierenden vor, die Agenda 2010 maßgeblich implementiert und ideologisch verbrieft zu haben, nach dem Motto "Vorrang für die Anständigen". Im aktuellen Arbeitsminister Olaf Scholz wiederum sehen sie denjenigen, der verhindere, dass die SPD ihr Versprechen einlöst, eine glaubhafte Überprüfung der Hartz-IV-Regelsätze einzuleiten. Als Doubles lustwandelten auch Angela Merkel und Gerhard Schröder - alias "ein Hartz und eine Seele" - vor dem Brandenburger Tor. Sie blieben unbehelligt.
Der Protest fand anlässlich einer Anhörung über die Hartz-IV-Regelsätze im Bundestagsausschuss für Soziales statt. Dort referierten Experten darüber, ob eine Erhöhung der Regelsätze mehr Armut hervorruft, weil weniger Leute im Niedriglohnsektor dann noch bereit wären, für niedrigere Löhne zu arbeiten, wie Stefan Hoehl von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände meinte. Oder ob die niederen Regelsätze und der Zwang, jede noch so schlecht bezahlte Arbeit anzunehmen, die Armutsspirale in Deutschland anheizen, wie Johannes Jakob vom Deutschen Gewerkschaftsbund befürchtet.
Die Betroffeneninitiativen, die zuvor vor dem Brandenburger Tor protestierten und nun auf der Tribüne im Ausschuss sitzen, fühlen sich von solchen Diskussionen verhöhnt. Ihren Ärger tun sie in Zwischenrufen kund. "Wir sind die Armutsexperten, befragen Sie uns!", ruft eine Frau von der Tribüne.
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