: Hart, härter, gib ihm die Kante
■ Überschallfestival Samstag im Schlachthof: Leistungsschau mit Volldröhnen
Ein richtiges kleines Festival braucht mehrere Gruppen, viele ZuschauerInnen, große Mengen Alkohol und immer lauter werdende Musik. Sagt die Erfahrung. Das Überschall Festival im Schlachthof erfüllte diese Kriterien noch darüber hinaus.
Diejenigen, die der strömende Regen von Pünktlichkeit abhielt,
die wurden von den Lokalmatadoren Party Dictator bestraft. Vergleiche mit anderen Gruppen hemmen die Entwicklung von Newcomern, darum nur soviel: Sänger Nick legte los wie ein Derwisch. Prima vorwärtsdrängend unterstützten ihn seine Mitspieler mit klaren, kompromißlosen Rhythmusfiguren. Eine bessere Abmischung, mehr Bühnenerfahrung, und schon werden wir in Bremen eine vielbeachtete Band aus dem Independent-Bereich haben. Endlich.
Was sich in der brechend vollen Halle schon angedeutet hatte, führten die Australier Beasts of Bourbon fort. Dies war nicht nur ein Festival des Plattenlabels Überschall, es war auch eine Leistungsschau der jeweiligen Sänger der Bands. Tex Perkins, der schmale Mann im weißen Hemd und den lasziv schwingenden Hüften, wies eine gewaltige Stimme vor. Daß er sie zuweilen wie ein Blues oder Chanson-Sänger einsetzte, dem zuviel australisches Bier durch die Kehle geronnen war, störte einige ZuhörerInnen.
Die Erwartungen bestanden eben auf derbem Musikgut. Was die fünf (voc, g, g, b, dr) an getragenen Songs vortrugen, gehörte aber mit zum Besten des Abends. Perkins steigerte sich Richtung Captain Beefheart, während seine Band mit sparsamen Schräg-Klängen für den Background sorgte. Ob als Reaktion auf den Protest des Publikums oder freiwillig: Sie konnten auch härter und monotoner. Schon waren die Fans zufrieden.
Wer viel mitsingt, will auch viel trinken, und so waren beim Auftritt der West-Coast-Amerikaner Mudhoney in der prallen
Enge vor der Bühne bereits einige Lokal-Scharmützel im Gange. Das kollektive Gitarren-Gesäge des Quartetts mit seinen ultra-brutalen Beats und die Blanke-Hintern-Nummer des Bassisten trugen nicht unerheblich dazu bei. Das war Gib -ihm-die-Kante ohn Unterlaß.
Aber dann endlich, festival-adäquat erst kurz vor ein Uhr, Megastar Henry Rollins. Wie ein Weltergewichts-Boxer machte er sich warm, aber - die Technik streikte. Pause, neuer Anlauf. Das tätowierte Energiebündel kauerte sich vor die erste Reihe und brüllte mit voller Kraft in die Gesichter seines Publikums. Seine Henry Rollins Band hämmerte ihr herbes Rhythmus-Gemetzel dem Morgen entgegen, dafür kam ein Schwall Bier aus dem Publikum zurück.
Der angebreitete Teil des Auditoriums sah den Zeitpunkt gekommen, aus dem Schutz der Masse selbst für Randale zu sorgen. Henry pöbelte zurück. So soll es sein, so mögen wir es; der Ultra-Feger Henry konnte jedenfalls eine Menge ab. Als er dann noch bewies, daß aus dem Hippie-Song „On the road again“ von Canned Heat auch extra-harte Tonkunst zu machen ist, waren die meisten wieder zufrieden. Rollins tobte, schrie, wütete. Sein flexibler Drummer trieb ihn solange weiter, bis er und die Abkipper im Publikum einig waren. Mehr ging nicht. Cool J.F
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