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■ PorträtHarlem Desir

Für Frankreich verkörperte er acht Jahre lang SOS- Racisme. Jetzt hat der 32jährige den Sprung gewagt und den Vorsitz der antirassistischen Vereinigung Anfang September abgegeben. Die Ziele der Bürgerbewegung will er mit einer Partei weiterverfolgen: Ihr Name Le Mouvement (Die Bewegung) ist Programm. „Das System ist völlig blockiert“, sagt Desir. „Die Leute, die vor Ort etwas bewegen, werden von den Entscheidungsträgern nicht gehört. Deshalb nehmen wir die Sache selbst in die Hand.“ Als Desir zusammen mit einer Handvoll Freunden im November 1984 SOS-Rassismus gründete, bezeichnete sich der Verein als „moralische Generation“: Eine unpolitische Jugend sollte zum Kampf gegen den alltäglichen Rassismus mobilisiert werden. In kürzester Zeit wurde der Philosophiestudent zum charismatischen Chef einer Vereinigung, die Hunderttausende auf die Straße brachte. Sogar sein Name liefert passende Assoziationen: Harlem tauften ihn seine Eltern in Erinnerung an den Kampf der Schwarzen in den USA, Desir heißt Verlangen. „Wie könnte man seinem Charme nicht erliegen?“ seufzte Le Monde 1987. Der Sohn einer Elsässerin und eines Mannes von der Antilleninsel Martinique bewies mit klugem und maßvollem Vorgehen, daß Anti-Rassismus die Gesellschaft nicht spalten muß, sondern versöhnen kann.

Nachdem Desir in den Medien ernsthaft als möglicher Präsidentschaftskandidat gehandelt worden war, stellte er sich 1988 klar hinter Mitterrand. Zugleich finanzierte die PS die Vereinigung. Zum Bruch führte der Golfkrieg: SOS-Rassismus verurteilte die französische Kriegsbeteiligung. Immer häufiger kritisierte Desir auch, daß die sozialistische Regierung keine „Integrationspolitik“ betreibe. Nun will er mit Le Mouvement Druck auf die großen Parteien ausüben. Ein hochgestecktes Ziel, denn das Mehrheitswahlrecht verhindert den Einzug kleiner Parteien ins Parlament. Aber Foto: Jean-Serge Casanova

Desir wird ernst genommen: Nach dem EG-Referendum gelang es ihm, Kommunisten, Öko-Politiker und linke Sozialisten zu einem gemeinsamen Appell zu vereinen, der den Kampf „für ein Europa und Frankreich“ ankündigte, „das sozialer, ökologischer, bürgernäher und weltoffener“ sein soll. Bettina Kaps

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