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Happy together

■ John Boormans „Die Zeit der bunten Vögel“

In Amerika kann man Charme kennen lernen: in extra dafür eingerichteten Schulen, der US-Antwort auf den Rhetorik -Kurs. Das Ergebnis ist bekannt, und heute können das schon viele ohne Schulbesuch: Man entblößt die Zähne in freundlicher Absicht zu einem entgegenkommenden Lächeln. Auch gibt es genügend Versuche, Charme als cinematographisches Weichspülgrinsen in Szene zu setzen. Doch erst John Boorman ist es gelungen, das perfekt gefällige Produkt freundlichen Entgegenkommens herzustellen.

Boorman und seine Tochter - schon das läßt das Herz von Familie Jedermann höher schlagen - haben das Drehbuch geschrieben, und der Vater hat's zu bunten laufenden Bildern verarbeitet. Keine gesellschaftliche Ecke sei dabei vergessen, der sie ihr freundlich belangloses Lächeln schenken.

Eine Familiengeschichte ist's, zuckriges Märchen über Fall (durch Auflösung) und Wiederaufstieg (durch Wiedervereinigung) der Familie.

Der Vater jagt seine beiden Töchter und den Sohn aus dem Hause, damit sie endlich lernen, selbständig zu leben. Kurz darauf macht seine Firma pleite und die lieben Kinder suchen den durch die Gosse irrenden Vater und nehmen ihn zu sich ein auf Hochtouren gegen die Zeit arbeitendes Überlebensunternehmen. Happy together, selbst die Abrißfirma des Alten wird gerettet: Der amerikanische Familienpropagandatraum im speisefarbenen Zeitgeistgefieder: knallbunt und leicht verdaulich.

Die bunten Vögel sind die zwangsflügge gemachten Kinder des Unternehmers, die nur Kunst (-gewerbe) und Computer ( -spiele) im Kopf haben, und ihre Untermieter: ein Modedesigner, ein Yuppie-Börsenmakler, eine Freundin des Übersinnlichen und ein alter Zauberer-Clochard. Die liebevoll sorgende Upper-Class-Mutter hätte ich beinahe vergessen. Sie wohnen in dem Haus, das auch Ursache der finanziellen Probleme des Vaters war, nachdem es auf Grund von Protesten (!) unter Denkmalschutz gestellt wurde. Danach konnte er das Gebiet drumherum weder verkaufen noch bebauen. Vielfältig und dramaturgisch überflüssig auch der Gemischtwarenladen der Situationen und Spielorte, vom Weißen Haus über eine schwarze Gemeinde in Trance bis zur heruntergekommenen Dance Hall. Schließlich läßt der gutmütig augenzwinkernde Repräsentationswille gesellschaftlichen Spektrums auch keinen gängigen Spruch aus. Ob Umwelt oder „sei ganz du selbst“ - fast alles ist drin und wird freundlich angelächelt. Die Zähne, die dabei gezeigt werden, sind leider nur aus Pappe.

G.G.

John Boorman: Die Zeit der bunten Vögel, mit Dabney Coleman, Uma Thurman, USA 1990

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