Hannovers Ihme-Zentrum pleite: Betonburg steckt in Schwierigkeiten
Dem Ihme-Zentrums in Hannover droht die Zwangsversteigerung. Finanzjongleur Lars Windhorst hat auch anderswo Probleme. Was wird aus der Mini-Stadt?
Der Betonkoloss im Herzen der Stadt ist nicht die einzige Baustelle in Windhorsts verschachteltem Firmenimperium. Auch bei der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft klagen Werftarbeiter über zu spät gezahlte Gehälter, wie der SHZ berichtet.
International klagen mehrere Gläubiger auf Beträge in Millionenhöhe – ein Londoner Gericht fror deshalb im Sommer vorübergehend Teile des Windhorst-Vermögens ein, wie die Financial Times und Business Insider berichten. Aber Windhorst, einstiges Unternehmerwunderkind Helmut Kohls und skandalumwitterter Ex-Investor bei Hertha BSC, tanzte ja schon immer gern nah am Abgrund.
Das Ihme-Zentrum wird ihn sicher nicht ganz herunterreißen, einige andere möglicherweise schon. Mit großen Versprechen für längst überfällige Sanierungsmaßnahmen und spektakuläre Umbauten war Windhorst hier 2019 gestartet.
Private Wohnungseigner sind verzweifelt
Daraus wurde natürlich nichts, wie bei den drei bis vier vorherigen Großinvestoren auch schon. Die Mini-Stadt aus den 70ern mit Wohntürmen, Ladenpassagen, Gewerbeflächen und Tiefgaragen in bester Lage bröckelt weiter vor sich hin.
Vor sechs Wochen hatte die Eigentümergemeinschaft beim Amtsgericht Insolvenzantrag gestellt. Normalerweise wird über solche Anträge schnell entschieden. Man habe erst die Zuständigkeit prüfen müssen, heißt es offiziell.
Die Hannoversche Allgemeine Zeitung kolportiert: Man habe das Verfahren wohl gern nach Berlin abschieben wollen, wo größere Windhorst-Firmen ihren Sitz haben. Nun bleibt es in Hannover.
Den weiteren Eigentümern im Ihme-Zentrum blieb im August kaum etwas anderes übrig, als diesen Insolvenzantrag zu stellen: Sie hängen alle mit drin. Die 515 Eigentümer der Wohnungen zuerst, die wenigen verbleibenden Gewerbeflächeninhaber noch viel schlimmer.
Denn Windhorsts PIZ zahlt schon seit Monaten ihren Anteil an den Haus- und Betriebskosten nicht mehr – allein das sind 400.000 Euro im Monat, die auf die anderen Eigentümer umgelegt werden müssen, wenn bei der PIZ tatsächlich nichts mehr zu holen ist. Für manche könnte das existenzbedrohend werden.
Mieteinnahmen weggebrochen
Bisher konnte die Hausverwaltung immerhin noch einen Teil der PIZ-Mieteinnahmen pfänden, um diese Außenstände zu decken. Doch nach der Stadt Hannover haben auch die Stadtwerke Enercity ihre Büroflächen im Ihme-Zentrum aufgegeben.
Die PIZ erzielt also keine Einnahmen mehr, hat aber mutmaßlich noch weitere Schulden: für Planungs- und Baumaßnahmen, Vertragsstrafen wegen ausgebliebener Sanierungsarbeiten, Grundsteuern und Gebühren.
Damit muss sich nun der Insolvenzverwalter auseinandersetzen. Lars Windhorst sieht immer zu, dass er in seinem verschachtelten Firmenimperium niemals mit seinem persönlichen Vermögen haftet.
Im Falle des Ihme-Zentrums kommt eine weitere Besonderheit dazu: Der Spiegel deckte vor einem Jahr auf, dass auf die Problemimmobilie Grundbuchschulden von 290 Millionen Euro eingetragen sind. Zugunsten von Firmen, die dem nicht minder schillernden Unternehmer Ulrich Marseille zuzuordnen sind.
Einzelne Wohnungseigentümer wittern hier Betrug – immerhin dürfte der Wert der Immobilie erheblich unter diesem Betrag liegen. Sie hoffen, dass sich der Grundbucheintrag als rechtswidrig tilgen lässt. Wenn nicht, könnte das einen Verkauf der maroden Immobilie zusätzlich erschweren – dass Marseille als Eigentümer eine bessere Partie wäre als Windhorst, glaubt auch niemand.
Stadt will Heuschrecken verhindern
Die Stadt hat Vorstößen, das Ihme-Zentrum selbst zu kaufen – wie es unter anderem die Linke fordert – schon einmal eine Absage erteilt. Sie hat aber gleichzeitig deutlich gemacht, alle Hebel in Bewegung setzen zu wollen, damit sich hier nicht noch eine Heuschrecke breitmacht.
So will sie weiter auf die Sanierungspflichten pochen, auch über eine Änderung des Bebauungsplanes, mit der sich etwa Nutzungsbeschränkungen umsetzen ließen, war schon spekuliert worden. Das wäre allerdings ein langwieriges, kompliziertes und unsicheres Verfahren – das sich wohl vor allem dazu eignet, Dinge zu blockieren und so Investoren, die auf schnelle Rendite hoffen, abzuschrecken.
Die Bewohnerinitiative „Zukunftswerkstatt“ hofft immer noch auf eine hannoversche Lösung und träumt von einem Konsortium aus soliden, lokalen Investoren mit langem Atem und ernsthaften Entwicklungsabsichten.
Nun wird man allerdings erst einmal den Ausgang des Insolvenzverfahrens abwarten müssen. Das kann sich, je nach Verschleppungstaktik der Beteiligten, schon ein paar Jahre hinziehen. Möglicherweise läuft es am Ende auf eine Zwangsversteigerung hinaus – es wäre nicht das erste Mal. In der Zwischenzeit bröckelt der Koloss weiter vor sich hin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“