Hannibal-Netzwerk in Meck-Pomm: Rechtsextreme Elitepolizisten

Laut einer Expertenkommission hat es beim SEK der Polizei Mecklenburg-Vorpommern eine rechtsextreme Gruppe gegeben.

Polizisten aus der Rückenansicht, mit Schutzwesten, Waffen und Helmen

Schwer bewaffnete Polizisten bei einer Antiterrorübung im April 2017 Foto: dpa

BERLIN taz | Im Spezialeinsatzkommando der Polizei Mecklenburg-Vorpommern hat es eine Gruppe rechtsextremer Polizisten gegeben. Zu dieser Einschätzung sind nun auch die Experten einer „Unabhängigen Kommission“ gekommen. Die drei Männer stellten ein entsprechendes Gutachten am Dienstag in Schwerin vor – und üben teils heftige Kritik.

Der Leiter der Kommission, der frühere Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz Heinz Fromm, sagte, es habe innerhalb der Gruppe rechtsextremes und fremdenfeindliches Verhalten gegeben. Das berichtete der Nordkurier. Außerdem sollen die rechtsextremen Elitepolizisten Verbindungen zu sogenannten Preppern gehabt haben.

Als Führungsfigur macht Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier (CDU) den Ex-SEK-Polizisten Marko G. aus., der derzeit in Schwerin unter anderem deshalb vor Gericht steht, weil er 55.000 Schuss Munition gehortet haben soll.

Er ist auch eine Schlüsselfigur des von der taz und anderen Medien aufgedeckten sogenannten Hannibal-Netzwerks mit rechtsextremen Mitgliedern in Armee, Polizei und anderen Behörden. Die Mitglieder des Netzwerks sind meistens Männer, die sich auf einen drohenden Ernstfall vorbereiten – manche legen einfach nur einen größeren Vorrat an Wasser und Konserven an. Es gibt aber auch radikalisierte Prepper, die Waffen horten, weil sie rassistischen Vorstellungen von einer angeblich bevorstehenden Invasion von Geflüchteten anhängen.

Caffier hat Konsequenzen aus dem Bericht gezogen, zwei ranghohe Beamte sind ihre Jobs los. Sie werden nicht entlassen, aber versetzt. Bisher war der Innenminister eher zögerlich aufgetreten, wenn es um sein Vorgehen gegen rechte Prepper und Polizisten ging.

Caffier berief den Leiter der Polizei-Abteilung in seinem Innenministerium, Frank Niehörster, und den Chef des Landeskriminalamts, Ingolf Mager, von ihren Posten ab. „Die Vorfälle und die im Raum stehenden Vorwürfe waren und sind eine Zäsur für die Landespolizei“, ließ Caffier per Pressemitteilung verbreiten. Und: „Das Vertrauen der Menschen in die Polizei wurde beschädigt und viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landespolizei sind selbst verunsichert.“

Lorenz Caffier, Innenminister

Das Vertrauen der Menschen in die Polizei wurde beschädigt und viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landespolizei sind selbst verunsichert

In Reihen des Koalitionspartners SPD stößt Caffiers Informationspolitik auf Unverständnis. Der Landtagsabgeordnete Dirk Friedriszik (SPD) kritisiert, dass das Parlament vollkommen außen vor bleibe. „Ich war derjenige, der eine unabhängige Kommission in der SEK-Affäre gefordert hat“, sagt er der taz. „Es ist ein Skandal, dass Caffier jetzt eine Pressekonferenz gibt, ohne vorher den zuständigen Innenausschuss zu informieren.“

Bei ihren Schlussfolgerungen berufen sich die Experten der Kommission auf Akten aus dem Innenministerium, Gespräche mit mehr als 80 Personen und Geschriebenes in Chat-Gruppen. Das Innenministerium in Schwerin hat eine achtseitige Zusammenfassung des Berichts erstellt, die der taz vorliegt.

Probleme mit Rechtsextremismus habe es nur in einer von drei SEK-Einsatzgruppen gegeben, so die Schlussfolgerung der Kommission. Die Betroffenen hätten die „festgestellten rechtsextremistischen, insbesondere fremdenfeindlich geprägten Einstellungen und entsprechenden Fehlverhaltensweisen“ in die Polizei hereingetragen.

Mangelnde Aufmerksamkeit, fehlende Konsequenzen

Sie konnten demnach jahrelang agieren, weil es an Wissen und Sensibilität gefehlt habe. Die fraglichen Beamten, alle inzwischen aus dem SEK ausgeschieden, hätten zudem aufgrund ihres höheren Alters und der Bundeswehr-Vergangenheit die Meinungsführerschaft übernehmen können. Es habe „mangelnde Aufmerksamkeit und fehlende Konsequenz von Vorgesetzten auf allen Ebenen“ gegeben und auch „Defizite im Bereich der Fach- und Dienstaufsicht“.

Die Kommission sieht auch „Schwachstellen bei der Personalauswahl“, wenn es darum geht, extremistische Bewerber von der Polizei fernzuhalten. Kritisiert wird zudem die enge Zusammenarbeit mit dem Betreiber des Schießplatzes, auf dem das SEK trainierte. Da seien vergaberechtliche Richtlinien nicht eingehalten worden, und es sei problematisch, „dass einem privaten Betreiber ermöglicht wurde, genaue Einblicke in polizeiliche Interna zu erlangen“.

In einer Pressemitteilung zählt das Innenministerium die Konsequenzen auf, die Lorenz Caffier aus den Vorfällen bei seiner Polizei ziehen will. Die Spezialeinheiten sollen ab 2020 nicht mehr dem Landeskriminalamt zugeordnet sein, sondern der Bereitschaftspolizei. „Ich verspreche mir hiervon eine bessere Einbindung der Spezialeinheiten“, heißt es dazu in der Mitteilung von Caffiers Ministerium. Die Beamten sollten „so mehr mitgenommen und besser integriert werden“.

Wie diese Integration vonstattengehen soll, führte Caffier in eher groben Zügen weiter aus: So soll im Auswahlverfahren bei den Spezialeinheiten künftig wieder ein Psychologe dabei sein, es habe da jahrelang „personelle Engpässe“ gegeben.

Außerdem wünscht sich Caffiers Behörde mehr Frauen in der Polizei. Denn, so heißt es in der Mitteilung des Innenministeriums: „Ein höherer Frauenanteil könnte negativen, gruppendynamischen Prozessen, die in klassischen Männerberufen schnell entstehen, entgegenwirken.“

Aber können solche Maßnahmen wirklich etwas gegen rechtsextremes Gedankengut bei der Polizei bewirken?

Rechtsextreme Subkultur

So fand es das Kommissionsmitglied Manfred Murck, früher Verfassungsschutzchef in Hamburg, problematisch, dass das Verhalten der rechtsextremen Gruppe anderen Kollegen im SEK zwar aufgefallen sei, diese aber nichts unternommen hätten.

Murck sagte laut Nordkurier, dass man zwar gemerkt habe, dass dort Kollegen mit Büchern über die Wehrmacht hausieren gingen, aber niemand habe gesagt: „Die kommen aus der rechten Ecke und wir müssen aufpassen, was wir für Kollegen haben.“ Dabei habe es erste Hinweise auf die rechtsextreme Einstellung der Polizisten bereits 2009 gegeben, damals waren sie noch in der Ausbildung. Ein Teil dieser Hinweise sei auch an Vorgesetzte gegangen.

Murck sprach weiter von „einer richtigen kleinen Subkultur innerhalb einer polizeilichen Einheit“. Und das dritte Kommissionsmitglied Friedrich Eichele, früher Kommandeur der Spezialeinheit GSG9, sagte gar, es habe im Spezialeinsatzkommando keine Disziplinaraufsicht gegeben, weil die Führung der Einheit damit überfordert gewesen sei.

Neben der SEK-Kommission tagt in Mecklenburg-Vorpommern seit zwei Jahren auch eine von Innenminister Lorenz Caffier eingesetzte Kommission, die klären soll, wie gefährlich Prepper sind und wie viele es davon in dem Bundesland gibt. Einen Bericht hat die Prepper-Kommission trotz Ankündigung noch nicht vorgelegt. Wie die taz jüngst beschrieben hat, liegt das unter anderem daran, dass die Kommission bislang nicht viel herausfinden konnte.

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Illustration: taz/Infotext-Berlin (Montage)

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