: Handelskammer läßt die Wurst baumeln
■ Privatisierungsvorschläge: Gute Tips für den Senat, leider ohne Beleg
Der Zeitpunkt ist gut gewählt. Rechtzeitig zu Beginn der vermutlich recht qualvollen Senats- und Behördenberatungen für den Spar-Haushalt 1996 geht die Handelskammer in die Privatisierungsoffensive: In einer gestern verteilten Presseerklärung fordert der einflußreiche Kaufmannsverein den Senat auf, zahlreiche öffentliche Aufgaben künftig von Unternehmen erledigen zu lassen.
Danach sollen Privat-Unternehmen künftig:
– anstelle der Polizei öffentliche Gebäude, Beispiel Rathaus, überwachen,
– Geschwindigkeitskontrollen im Straßenverkehr vornehmen und Strafzettel für Falschparker ausstellen,
– amtliche Statistiken erstellen, bisher Aufgabe des Statistischen Landesamts,
– Baugenehmigungen ausstellen
– Umweltschutz- und Sicherheitsbestimmungen überprüfen und
– Aufgaben von gemeinnützigen Trägern und Stiftungen übernehmen.
Außerdem sollten Anwohner künftig die Gelegenheit haben, die Straßenreinigung selbst zu übernehmen bzw. Dritte beauftragen zu können.
Zweck der Übung: Stärkung des Hamburger Dienstleistungssektors und – da hängt die Wurst für finanzklamme PolitikerInnen – „Personal einsparen und Haushalt entlasten“.
Kleiner Mangel, der auch in einer Handelskammer-eigenen Studie zum Thema „Chancen und Herausforderungen für die Hamburger Wirtschaftspolitik“ festgehaltenen Vorschläge: Sie werden nicht durch Zahlen untermauert. Daß sich diese oder jene Privatisierung für die Hamburger Stadtkasse rechnet, wird behauptet, nicht belegt.
Die Erklärung des zuständigen Kammer-Geschäftsführers Bernd Reichhardt: Da es in den Behörden für die einzelnen Aufgabenbereiche keine detaillierte Kostenaufstellung gäbe, machten Vergleichszahlen wenig Sinn. Mit der Forderung nach einer genauen Kosten-Nutzen-Analyse von Privatisierungsmaßnahmen sei die Handelskammer auch logistisch überfordert. „Wir können nur Anregungen geben.“ Im übrigen habe sich in der Vergangenheit gezeigt, daß private Firmen flexibler und effizienter arbeiten könnten als Behörden.
Schon deshalb lohnt sich der Blick in einen in der Presserklärung der Kammer nicht erwähnten Teil der Studie, der sich mit der Frage des „Make or Buy“ – Selbermachen oder fremd vergeben – in diesem Fall aus Sicht genau jener Privatfirmen befaßt. Tip dort: Auslagerungen „bedürfen einer sorgfältigen Prüfung“. uex
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen