■ Handball: Zwei sind zuwenig
Frankfurt (taz) – TUSEM Essen überraschte im Spitzenspiel der Handball-Bundesliga mit einem neuartigen Spielsystem. Statt mit sechs Feldspielern trat Essen mit der 2+4-Variante an. 18 von 22 Toren des Tabellenzweiten warf das Angriffsduo Fraatz/Tuschkin. Die restlichen vier Pappkameraden durften nur in der Abwehr mittun – doch auch dort hatten sie kaum Kontakt mit dem Leder.
Ob diesem System allerdings eine große Zukunft beschieden ist, muß stark bezweifelt werden, denn Gegner Wallau/Massenheim schoß zwei Tore mehr.
Die 5.500 Zuschauer in der ausverkauften Höchster Ballsporthalle sahen ein Spiel, das von der Auseinandersetzung zweier völlig verschiedener Handballauffassungen lebte.
Im Gegensatz zum Essener Star- System bevorzugt der Meister aus Wallau das kompakte Mannschaftsspiel ohne Wasserträger. Egal, ob Weltklassespieler Mikael „Magic“ Kaellman oder Reservist Ralf Heckmann – in brenzligen Situationen kann jedes Teammitglied von Wallau Verantwortung übernehmen. Von Beginn an setzte der Meister Essen unter Druck und lag ständig in Führung.
22 Tore schießt Essen im Schnitt pro Spiel – gegen durchschnittliche Mannschaften langt das. Aber Essen hat auch genauso viele Treffer einstecken müssen wie der Tabellenletzte Rostock – und das langt gegen Wallau/Massenheim nicht. Heiner Brand, Trainer der Hessen, kleidet seine Analyse nur notdürftig in diplomatische Worte: „Essen hat mit seinem Zwei-Mann-Team spielerische Grenzen.“ Sein Kontrahent Petre Ivanescu, Ex-Nationalcoach, konzidierte ohne Umschweife: „Die bessere Mannschaft hat gewonnen.“
Tatsächlich präsentierte das Wallauer Kollektiv, neben seinen spielerischen Fähigkeiten, das, was der letztjährige Finalist Leutershausen respektvoll „eine abgezockte Truppe“ nannte. Wenn es darauf ankommt, zeigt die Mannschaft so wenig Schwächen wie kaum ein anderes Spitzenteam.
Anfang der Saison hatte Bodo Ströhmann, Manager und „Mr. Handball“ des hessischen Provinzclubs, seinen Herzenswunsch geäußert: „An Weihnachten wollen wir an der Tabellenspitze stehen.“ Auch ohne astrologische Grundkenntnisse darf gemutmaßt werden: Am Ende der Saison wird die Bescherung noch reichlicher ausfallen.Matthias Kittmann
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