: Hamsterer und Spekulanten
■ Jacobs beginnt heute mit der Kaffeepreis-Erhöhung/ Der Frost ist zur Hälfte schuld
Na, haben Sie gebunkert? Diverse BremerInnen sind in den vergangenen Tagen dabei beobachtet worden, wie sie gleichzeitig vier Päckchen Kaffee hamsterten. Zum alten Preis von sieben oder acht Mark. Wovon schon solange und so aufgeregt auf den Wirtschaftsseiten der Zeitungen die Rede war, das bekommen die VerbraucherInnen nun direkt zu spüren: Am Donnerstag hat Eduscho den Pfundpreis in seinen Depots und Verkaufsstellen um 50 Pfennig erhöht; „Gala“ zum Beispiel kostet jetzt 9.48 Mark, die preiswerteste Sorte „Wiener Gold“ allerdings soll zunächst bei 6,99 Mark bleiben. Spätere Erhöhungen sind nicht ausgeschlossen, heißt es. Die Firma Tchibo, die ebenfalls über ein eigenes Filialnetz verkauft, wird nächsten Donnerstag durchschnittlich um eine Mark erhöhen; die „Feine Milde“, die jetzt noch 8,89 kostet, wird langfristig zehn Mark und mehr kosten, sagt der Bremer Tchibo-Pressereferent Matthias Born.
Der wahre Kaffeeriese Jacobs Café allerdings, der 30 Prozent am deutschen Markt hält, schlägt noch ganz anders zu: Zwei Mark mehr werden die GroßhändlerInnen berappen müssen. Presserefernt Henner Alms schätzt, daß diese Erhöhung bis Ende August bei den VerbraucherInnen angekommen sein wird, dann nämlich werden die Supermärkte ihre Lager geräumt haben. Die Bremer Supermarkt-Ketten wollen sich nicht dazu äußern, in welchem Umfang sie den Preisaufschlag an die KundInnen weitergeben werden – zu sehr stehen sie gerade über den Kaffeepreis miteinander in Konkurrenz. Kaffee gilt als Lockvogel. Die Tengelmann-Zentrale in Mülheim an der Ruhr, der man Frgen schriftlich einreichen muß, läßt nur soviel raus, daß sie ihre Eigenmarken um eine Mark teurer verkaufen wird.
Langfristig wird sich der Kaffeepreis wohl knapp verdoppeln auf bis zu 14 Mark pro Pfund. Die Rohkaffeepreise haben sich verdreifacht, Röstereien müssen mittlerweile 230 Cents pro Pfund zahlen statt 85 Cents wie noch zu Anfang des Jahres. Die Rohkaffee-Preise machen einengroßen Teil (ca. 70 Prozent) des Preises aus. Der knallharte Wettbewerb zwischen den Handelsketten wird die bestrafen, die die Bewegung im Preis ausnutzen wollen.
Und selbst wenn! „Die Konsumenten hatten sieben fette Jahre“, findet Henner Alms von Kraft Jacobs Suchard in Bremen. 1986 hätten die VerbraucherInnen noch anstandslos 11,33 Mark pro Pfund gezahlt. Die Röstereien sehen der Zukunft gelassen entgegen: Bisher habe noch keine Preiserhöhung zu einer Veränderung des Konsumverhaltens geführt, die BundesbürgerInnen blieben bei ihren vier Tassen pro Tag pro Person.
Aber wissen möchte man doch, warum der Muntermacher plötzlich so teuer wird, wenns doch auch mal anders ging. Das mit den Frösten, die die neue Ernte teilweise vernichtet haben, das hat man ja gehört – nur: Die diesjährige Ernte hängt doch noch am Strauch, wieso gehen jetzt schon die Preise hoch? „Reine Spekulation“, sgt Michael Glöge, Kaffee-Experte beim Bremer Eine-Welt-Laden. „Eigentlich wird der teure Kaffee erst im Herbst auf den Markt kommen. In Deutschland liegt jetzt noch ein Bedarf von zwei bis vier Monaten in den Lagern.“ Hochgetrieben wurden die Rohkaffeepreise seiner Meinung nach vor allem von Spekulanten wie etwa den Investmentfonds. Dazu muß man wissen, daß jeder Sack Kaffee zehnmal den Besitzer wechselt, bevor er beim Röster, also zum Beispiel in Bremen bei Jacobs oder Melitta, ankommt. Die vielen Zwischenhändler haben nun, sobald sich die Kaffeeknappheit abzuzeichnen begann, soviel Kaffee wie möglich aufgekauft und gebunkert, um ihn später, wenn der Weltmarktpreis gestiegen ist, gewinnbringend zu verkaufen, erzählt Michael Glöge vom Eine-Welt-Laden. Zum Teil seien diese Zwischenhändler, die in Brasilien „Kojoten“ genannt werden, sogar soweit gegangen, den verarmten Bauern die noch ungepflückte Ernte abzukaufen – zu Niedrigstpreisen, aber gegen Bargeld.
Aber wieso wurde der Kaffee überhaupt knapp, war doch jahrelang von einer Überproduktion die Rede ... Die Fröste, die kamen nur obendrauf, erklärt Kaffee-Experte Glöge. Knapper ist der Kaffee schon seit dem Frühjahr: Seit das Rückhalteabkommen zwischen den wichtigsten Kaffee-Exportländern zu greifen beginnt. Die haben nämlich als Notbremse gegen den Preisverfall vor einem Jahr verabredet, nicht die ganze Ernte für den Export freizugeben, um so den Kaffee „künstlich“ zu verknappen und also den Preis zu heben.
Dazu kam eine tatsächliche Verknappung: Wegen des unrentablen Niedrigpreises hatten im vergangenen Jahr viele Bauern ihre Felder aufgegeben. Konsequenz: Erstmals seit langem werden zehn Prozent des Kaffee-Bedarfs ungedeckt bleiben. Jedenfalls was die in Deutschland bevorzugten milden Arabica-Sorten angeht, die vor allem in Brasilien angebaut werden. Also: Niedrigpreis, Rückhalteabkommen und dann noch der Frost haben zu der derzeitigen Knappheit geführt. Die Spekulation aber zusätzlich zu besonders hohen Preisen. Die Preise werden auch erstmal so bleiben, denn neu angepflanzte Kaffeesträucher tragen erst nach zwei Jahren.
Teurer wird auch der alternative Kaffee, wie er etwa von der entwicklungspolitischen Handelsfirma TransFair in Supermärkten und Dritte-Welt-Läden vertrieben wird: Das Pfund kostet zukünftig zwischen 11 und 14.50 Mark. Darin enthalten ist allerdings kein entwicklungspolitischer Aufschlag mehr, denn der wird nur bei niedrigem Weltmarktspreisniveau gezahlt – bis zu einem Niveau von 165 Cents. Den Bauern nützt der Handel mit TransFair dennoch: TransFair zahlt direkt an Kooperativen und Genossenschaften – unter Umgehung der „Kojoten“.
Unbeeindruckt vom höheren Kaffeepreis werden wohl nur Kantinen bleiben: Dort wird die vom Frost nicht betroffene Sorte „Robusta“ aufgebrüht. „Robusta“ gewährleistet „längere Standzeiten“, der Kaffee kippt nicht so schnell ins Saure um. Christine Holch
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen