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Hamburgs SPD will Nato nicht mehr bomben sehen

■ Vorstand fordert Bonn zum Kurswechsel auf. Parteichef spricht von „Austrittswelle“

Hamburgs SPD hat sich ganz offiziell gegen den Krieg in Jugoslawien ausgesprochen. Mit nur zwei Gegenstimmen verabschiedete der Landesvorstand am Freitag abend einen „Rat für die Bundesregierung“, der an Deutlichkeit kaum zu wünschen übrig läßt. Die rot-grüne Bonner Koalition wird aufgefordert, „im Rahmen des Nato-Bündnisses unverzüglich auf die Ergreifung politischer Initiativen zu drängen“, die einen „sofortigen Waffenstillstand und die nachprüf- und überwachbare Einstellung aller gewaltsamen Handlungen von jeder Seite“ zum Ziel haben. Außerdem verlangen die Hamburger SozialdemokratInnen die „sofortige Aufnahme neuer Verhandlungen“. Der Militäreinsatz der Nato, begründet der Landesvorstand seine Forderungen, „hat die gesetzten Ziele nicht erreicht“.

„Wir wollten nicht die Bundesregierung schwächen“, sagte SPD-Landeschef Jörg Kuhbier gestern zur taz. „Wir haben aber die zunehmende Sorge, daß das labile politische Gleichgewicht mit Rußland zusammenbricht, daß sich die Dinge allein mit militärischer Logik weiterentwickeln und sich bald der ganze Balkan im Kriegszustand befindet.“ Der Einsatz von Bodentruppen werde deshalb „kategorisch abgelehnt“. „Gerhard Schröder und Rudolf Scharping müssen dies unmißverständlich und einmütig erklären“, so Kuhbier. Zwar habe es über das Ausmaß des Versagens der NATO-Strategie innerhalb des Landesvorstandes erhebliche Meinungsunterschiede gegeben. Im Ergebnis sei man sich jedoch „zu 80 Prozent einig“ gewesen.

Neben den eigenen Bedenken stand der Landesvorstand auch unter dem Druck der Basis. Kuhbier entdeckt zwar noch keinen „Exodus“, aber doch eine kleine „Austrittswelle, die zeigt, daß es in der Mitgliedschaft ein wachsendes Unverständnis gibt“. In Austrittsbegründungen, Briefen und Anrufen gibt derzeit eine wachsende Zahl von Hamburger SPD-Mitgliedern ihrer Sorge Ausdruck, daß die rot-grüne Bundesregierung längst den Boden sozialdemokratischer Grundpositionen verlassen hat.

Eine Antwort darauf, wie die Staatengemeinschaft wirksam gegen rassistischen Mord und Völkervertreibung in Europa vorgehen soll, hat auch der Landesvorstand nicht. Er forderte die Bundesregierung aber zu einer „Weiterentwicklung des Völkerrechts“ auf. „Die Behandlung des Falles Pinochet zeigt die Richtung. Mandate der Völkergemeinschaft sind unabdingbare Grundlagen für Sanktionsmaßnahmen im Rahmen eines zukunftsorientierten Völkerrechts.“

Florian Marten

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