Hamburger Untersuchungsausschuss zum NSU: Grüne will mit Linken stimmen
In Hamburg will die oppositionelle Linke einen Untersuchungsausschuss zum NSU einsetzen. Nun kommt Unterstützung aus der grünen Regierungsfraktion.
Nun gibt es einen Antrag der Linksfraktion, einen solchen Ausschuss einzurichten. Und der könnte den rot-grünen Hamburger Senat belasten. Denn einzelne Abgeordnete der Grünen erwägen, für den Antrag zu stimmen: „Mit meinem Gewissen ist nicht vereinbar, den Antrag der Linksfraktion abzulehnen, solange wir keinen alternativen Weg für eine ernsthafte Aufklärung finden“, schrieb etwa die Grünen-Abgeordnete Miriam Block auf Twitter.
Empfohlener externer Inhalt
Mit diesem Alleingang setzt sie nicht nur die SPD, sondern auch die eigene Partei unter Druck. Die Auseinandersetzung im Senat um einen NSU-Ausschuss in Hamburg hatte sich in den vergangenen Monaten zugespitzt. Seit der Selbstenttarnung des NSU-Kerntrios Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe 2011 ist Hamburg das einzige Bundesland, in dem der NSU gemordet hatte, aber kein Untersuchungsausschuss eingesetzt wurde.
Immer wieder neue Fehler
Am 27. Juni 2001 hatten Mundlos und Böhnhardt Süleyman Taşköprü in seinem Gemüseladen in der Schützenstraße erschossen. Kurz nach dem Mord sagte sein Vater Ali Taşköprü der Polizei, dass er auf dem Weg zum Laden zwei Männern begegnet sei: groß, schlank, zwischen 25 und 30 Jahre alt und augenscheinlich „Deutsche“ – und „keine Südländer“.
Das war einer von vielen Hinweisen nach rechts, die die Ermittelnden ignorierten – und einer der vielen Fehler, die immer wieder neue Fragen aufwerfen. Auch für Block: „Die rechten Netzwerke in Hamburg sind immer noch nicht aufgelöst, die potenziellen und tatsächlichen Fehler des Staates rund um den NSU Komplex sind nicht ausreichend aufgeklärt“ schreibt die Fraktionssprecherin für Wissenschaft und Hochschule. Und sie betont, dass der „Selbstbericht des Senates“ von 2014 nicht genüge. Der Bericht sei „in Teilen widersprüchlich zu Befragungsergebnissen“ des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Bundestages.
Die Linke teilt diese Einschätzung. Sie listet im Antrag auf zwanzig Seiten offene Fragen zum NSU-Komplex in der Hansestadt auf.
Parteitagsbeschluss der Grünen für Ausschuss
Die rot-grüne Regierungskoalition hatte bisher einen Untersuchungsausschuss abgelehnt. Die Landesmitgliederversammlung der Grünen verabschiedete 2021 jedoch einen Beschluss für einen solchen Ausschuss. Das Besondere an einem Untersuchungsausschuss ist sein Rechtsstatus. Block betont, dass „bereits gelöschte Akten, Erfahrungen aus anderen NSU-Ausschüssen, mögliche Whistleblower*innen sowie V-Leute und Unterstützer*innen des NSU zeigen, dass es notwendig ist, Zeug*innen zu befragen und zwar gegebenfalls auch unter Eid“.
Die SPD teilt diese Einschätzung nicht. Auf Anfrage der taz hatte Innensenator Andy Grote vor zwei Wochen geantwortet, dass keine neuen Argumente für einen Untersuchungsausschuss vorlägen. Dass der Druck durch den Regierungspartner gestiegen sei, verneinte er ebenso.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung