Hamburger Initiative will Volksentscheid: Stadt ohne Werbung

Animierte Außenwerbung verbraucht viel Strom und stresst die Bevölkerung. Die Initiative „Hamburg Werbefrei“ will sie per Volksentscheid abschaffen.

Eine Plakatfläche an einer Hauswand mit einem zerfetzten Plakat.

Diese Werbefläche verbraucht zwar nicht so viel Strom, aber schön ist sie auch nicht Foto: Martin Gerten/dpa

HAMBURG taz | Manche der digitalen Werbetafeln, von denen es in der Stadt zahlreiche gibt, verbrauchen jährlich so viel Strom wie 14 Durchschnittshaushalte. Trotzdem scheint die Abschaffung der Außenwerbung utopisch, so sehr hat man sich an sie gewöhnt und so präsent ist sie im Stadtbild. Die Bürgerinitiative „Hamburg Werbefrei“ lässt sich davon nicht abschrecken – sie sieht in der Abschaffung eine Chance auf Ressourceneinsparung sowie einen Schritt in Richtung Selbstbestimmung der Stadtbewohner*innen.

In einem Bür­ge­r*in­ne­nbrief der Linksfraktion vom 14. April problematisiert Martin Weise von „Hamburg Werbefrei“ die aktuelle Situation: Menschen würden auf ihre Rolle als Kon­sum­ent*innen reduziert. „Wir haben uns an einen kommerzialisierten öffentlichen Raum gewöhnt“, sagt er. Was Außenwerbung besonders problematisch mache, sei die Tatsache, dass man ihr nicht entfliehen könne: Die Bür­ge­r*in­nen würden psychisch belastet, während nur wenige börsennotierte Unternehmen wirklich profitierten.

Die sogenannten „Megalights“, digitale Werbebanner, deren beleuchtete Fläche doppelt so groß ist wie eine Tischtennisplatte, verbrauchten durchschnittlich 46.428 Kilowattstunden pro Jahr. Plakatwerbung auf Papier sei ähnlich verschwenderisch: Beleuchtete und bewegte Werbeträger beanspruchten nicht nur viel Strom, sondern auch Tonnen an Papier. „Fest steht: Es handelt sich um einen Ressourcenverbrauch, der schädlich und unnötig ist“, schlussfolgert Weise. Die Annahme, dass die Außenwerbung einen erheblichen Beitrag zur Finanzierung öffentlicher Ausgaben beitrage, sei zudem irreführend: Weniger als 0,15 Prozent des Jahreshaushalts seien auf Außenwerbung zurückzuführen.

Richtet sich meistens gegen diskriminierende oder problematische Plakatinhalte. Die Plakate werden satirisch überklebt oder kommentiert.

Die Sicherheitsbehörden kriminalisieren die Eingriffe in die Plakatwerbung: 2018 führte der Verfassungsschutzbericht Adbusting im Kapitel „gewaltorientierter Linksextremismus“ auf.

Mehrere Polizeidienststellen ermittelten 2019 umfangreich gegen eine Person wegen Adbustings und Werbeplakatdiebstahls. Es ging bis zur Hausdurchsuchung.

Hinzu komme, dass die Außenwerbung zum Teil problematische Inhalte vermittele. Neben diskriminierenden Bildern würden klima- und gesundheitsschädliche Produkte beworben. Mittels „Adbusting“ sind kleinere Protestbewegungen diesem Problem in der Vergangenheit bereits begegnet (siehe Kasten). Die Volksinitiative geht hingegen einen systematischen Weg und arbeitet mit der Linksfraktion sowie dem Berliner Pendant der Initiative Werbefrei zusammen.

So stellte die Linksfraktion im März 2021 eine Große Anfrage, in der sie die Außenwerbung problematisierte. Die Antworten des Senats fielen enttäuschend aus, so Weise: „Auf vieles, wie Verkehrssicherheit, Stromverbrauch und die Zustimmung der Bür­ge­r*in­nen wurde gar nicht erst eingegangen.“

Auf den Senat verlassen will sich die Initiative daher nicht. Sie werde den Weg über die direkte Demokratie gehen: „Wir reichen die Volksinitiative im März nächsten Jahres ein“, sagt Weise.

In einem Gesetzesentwurf der Initiative soll Fremdwerbung durch Änderungen im Bauordnungsrecht sowie im Wegegesetz nur noch in weniger problematischer Form zugelassen werden – nicht digital und nicht animiert. Zudem solle mindestens die Hälfte der Fremdwerbung für Non-Profit-Zwecke verwendet werden. Die Hamburger und die Berliner Ini­tiativen wollen koordiniert vorgehen und den Wäh­le­r*in­nen parallel zur Europawahl 2024 die Volksentscheide zur Abstimmung vorlegen.

Weise erhofft sich schon vorher einen positiven Effekt. Die bestehenden Werbeverträge liefen Ende 2023 aus: „Wir hoffen natürlich, dass wir mit unserem Engagement Einfluss auf die neuen Verträge haben“, sagt der Aktivist. „Die Grünen können eigentlich keine weiteren digitalen Werbeanlagen zulassen.“ Angesichts des Ziels der Klimaneutralität müsse diese Werbeform mit dem Auslaufen der Verträge beendet werden.

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