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Hamburg zeigtMuskeln

Gipfel-Kreuz

Man könne die Ausrichtung internationaler Gipfeltreffen schließlich nicht nur autoritären Regimen überlassen, heißt es von Bundesregierung und Hamburger Senat. Mag ja sein. Aber seit 2001 beim G8-Gipfel in Genua die Bürgerrechte außer Kraft gesetzt wurden und die Polizei Hunderte verletzte und einen Globalisierungskritiker erschoss, schien Konsens darüber zu herrschen, dass so eine Veranstaltung in einer westeuropäischen Großstadt nicht mehr möglich sei. Der G7-Gipfel fand deswegen eben nicht in München statt, sondern auf Schloss Elmau, der G8-Gipfel in Heiligendamm in Mecklenburg.

Dass nun mit Hamburg ein Gipfeltreffen doch wieder in eine Großstadt verlegt wurde, liegt einerseits am Länderproporz, in dem auch Stadtstaaten mal an die Reihe kommen. Und andererseits an der Haltung des Hamburger Senats, der, egal ob unter CDU- oder SPD-Führung, kein hehreres Ziel kennt, als „Hamburg auf die Karte“ zu packen – getreu einem uralten Minderwertigkeitskomplex. Was mit einem 800-Millionen-Konzerthaus nicht zu schaffen ist, muss der G20-Gipfel bewerkstelligen. Daher die in Hamburg verbreitete Sicht, der G20-Gipfel sei Merkels Trostpflaster an Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) für die vom Volk verpatzte Olympiabewerbung.

Bei Hamburgs Sozialdemokratie mag noch ihr ganz eigenes Trauma hineinspielen: Seit Scharfrichter Schill sie vom Thron stieß, hat die SPD Tony Blairs Sentenz „Law and order is labour issue“ tief verinnerlicht. Wo sollte man sicherheitspolitische Kompetenz deutlicher zur Schau stellen können als bei so einem Gipfel?

Und auf der kaum bewohnten Hamburger Insel Neuwerk in der Elbmündung hätte von dem Spektakel niemand Notiz genommen. Dort ein eigenes Tagungshaus zu errichten, wäre auch nicht aufwendiger gewesen als das Treffen mitten in der Stadt. Aber der Senat wollte zeigen: Wir machen es, weil wir es können. Jan Kahlcke

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