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Hamburg hängt am Tropf

In der Hansestadt wird zu wenig Blut gespendet. Lockmittel; Eis am Stiel  ■ Von Sandra Wilsdorf

Würde sich auf Hamburgs Straßen in diesen Tagen eine Massenkarambolage ereignen, wäre die Katastrophe da. Denn Hamburgs Krankenhäuser verfügen zur Zeit über so wenig Blutkonserven, dass sie nur Vorräte für einen einzigen Tag haben. Um auf größere Unfälle eingerichtet zu sein, müsste es dreimal so viel sein. „Um Pfingsten mussten wir sogar Krankenhäuser bitten, aufschiebbare Operationen zu vertagen“, sagt Professor Alois Poschmann, Ärztlicher Direktor des Blutspendedienstes Hamburg.

Dieses Sommerloch hat Tradition, weil viele Blutspender im Urlaub sind, aber es wird immer tiefer und dehnt sich zudem zur Ganzjahreserscheinung aus. „Und fehlen etwa 6000 Dauerspender“, sagt Poschmann. Und Bernt Edelhoft, Pressesprecher des Deutschen Roten Kreuzs Nord sagt: „In Hamburg spenden nur zwei Prozent der spendefähigen Bürger.“ Das ist weniger, als in Hamburgs Krankenhäusern verbraucht wird und kann nur durch die gebefreudigeren Schleswig-Holsteiner ausgeglichen werden. Ein typisches Großstadtphänomen: Denn einerseits wird hier Hochleistungsmedizin mit komplizierten Operationen betrieben, andererseits sind die Menschen weniger sozial eingestellt. „Während auf dem Lande der ganze Verein spenden geht, sehen sich hier die meisten nicht in der Verantwortung“, sagt Poschmann. Ein Fehler, denn Blut kann man nicht künstlich herstellen, und zehn Konserven retten im Schnitt ein Menschenleben.

Um die HamburgerInnen zu motivieren, spendiert der LBK-eigene Blutspendedienst zusätzlich zu der üblichen Prämie von 45 Mark und dem Imbiss im Sommer ein Eis. Für Dauerspender gibt es Treueprämien, für geworbene NeuspenderInnen 10 Mark extra. Außerdem hat der Blutspendedienst neue Standorte in Pinneberg und Harburg eingerichtet und die Öffnungszeiten erweitert, damit die Leute vor oder nach der Arbeit spenden können.

Für Peter Dürkop ist das Geld nicht ausschlaggebend: „Ich helfe damit mir und anderen.“ Er hat gestern zum 235. Mal Blut gespendet und kommt seit 1968. Damals wollte er seine Blutgruppe wissen. Beim Arzt sollte er dafür Geld bezahlen. Beim Blutspenden gab es neben der Blutgruppe auch noch eine Untersuchung. Reinhard Aue kommt, seit er 1970 Zeuge eines Unfalls war. Er ist dabei geblieben. Und obwohl er heute bei Heide wohnt, kommt er immer noch viermal im Jahr nach Eilbek. Weil laut Gesetz nur SpenderInnen zwischen 18 und 68 in Frage kommen, müssen für Menschen wie Aue und Dürkop irgendwann NachfolgerInnen gefunden werden. Und noch mehr. Denn weil die Menschen immer älter werden, wächst auch der Bedarf an Blutkonserven ständig.

Wer spenden will, kann sich beim Blutspendedienst unter Tel.: 040-20002200 über Standorte und Öffnungszeiten informieren. Auch das UKE nimmt montags bis freitags täglich Blutspenden entgegen. Das Deutsche Rote Kreuz informiert unter der kostenlosen 0800-1194911 über Termine und Orte.

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