piwik no script img

Hamburg-Wahl

betr.: „Schill-out für die Grünen“, u. a., taz vom 24. 9. 01

Was ist mit den HamburgerInnen los? Hat sie jetzt alle der Teufel geritten, oder sind sie noch paralysiert von den Terroranschlägen? Mit gesundem Menschenverstand kann ich mir ein derartiges, für jeden liberal denkenden Menschen verheerendes Wahlergebnis nicht erklären. Lassen sich so viele Menschen wirklich blenden? Meiner Ansicht nach tragen auch die Medien ihre Mitschuld an dem Ergebnis. Insbesondere die großen Hamburger Tageszeitungen, vor allem aus dem Hause Springer, haben den Rechtsdemagogen in der letzten Zeit so hofiert, dass einem nur noch übel werden konnte. Aber dass so viele Menschen darauf hereingefallen sind, enttäuscht mich tief.

PETER SONNTAG, Hamburg

Eine Partei, deren einziger Kompetenzanspruch in der Bekämpfung von Kleinkriminalität besteht, hat ein zweistelliges Ergebnis eingefahren. Umwelt-, Sozial-, Wirtschaftspolitik? Alles Fehlanzeige. Es stimmt bedenklich, wie leicht es immer noch ist, mit rhetorischem Geschick die Urängste der Bevölkerung zu schüren und mit einem eindimensionalen Wahlprogramm zum Erfolg zu gelangen. Dem eigentlichen Verlierer, der CDU, kann das alles egal sein. Sie will um jeden Preis mit Ole von Beust, der eigentlich schon die Türklinke in der Hand hatte, und der zur politischen Bedeutungslosigkeit verkommenen FDP an die Macht gelangen. So droht den Hamburgern also als Alternative zur SPD ein Senat, der aus Verlierern und Politdilettanten besteht.

THORSTEN MINCKE, Hamburg

Wer Wahlen gewinnen will, muss seine Anliegen zu Themen öffentlicher Erregung und Diskussion machen. Das Wort „ökologische Ecke“ drückt aus, dass den Grünen das nicht gelungen ist. Seit die Grünen in der Bundesregierung sind, versuchen sie, vor allem ihre Qualifikation als Buchhalter zu beweisen. Außer bei der BSE-Krise haben sie es versäumt, ökologische Missstände und das Verhältnis von Ökonomie und Ökologie zu Themen öffentlicher Erregung zu machen. Dabei gäbe es Gründe genug dafür.

Wer widerspricht der Behauptung, einziges Mittel gegen Arbeitslosigkeit sei Wirtschaftswachstum? Wer weist darauf hin, dass für die Finanzwelt Arbeitslosigkeit kein Problem ist, sondern ein willkommenes Druckmittel gegenüber Arbeitnehmern und demokratischen Institutionen. [. . .] Warum haben sich die Spitzenpolitiker der Grünen erst mit dem Thema Globalisierung befasst, nachdem andere dagegen demonstriert haben.

Und die Anschläge von New York und Washington? Gute Politik bedeutet auch, sich vom Schrecken nicht lähmen zu lassen. Herr Fischer hat in den letzten Tagen bestimmt keine schlechte Figur gemacht. Es hätte aber einiges mehr von den Grünen kommen sollen: Gute grüne Reaktion wäre gewesen, die Öffentlichkeit dafür zu mobilisieren, dass das Verbrechen keinesfalls als Vorwand kriegerischer Aktionen dienen darf und dass wir es neben der erforderlichen Strafverfolgung etwaiger Drahtzieher als Menetekel der „westlichen“ Welt ernst zu nehmen haben. Wer weist darauf hin, dass die Weltgemeinschaft letztlich mehr durch die Skrupellosigkeit der Finanzwelt gefährdet ist als durch die von ein paar dutzend Attentätern? Wer hat die Anschläge in Beziehung gesetzt zur wenige Tage vorher erfolgten Aufkündigung des Salt-Vertrages durch Präsident Bush. ULRICH LAMM, Bremen

Eine Stadt, die von ihrer Einwohnerstruktur her im Prinzip eine solide sozial-alternative Mehrheit hat, muss sich nun von rechten Demagogen regieren und repräsentieren lassen. Zum Steigbügelhalter machten sich dabei ironischerweise die vielen grünen Nichtwähler und abgewanderten Linken. Diese haben ihre Stimmen bewusst verschenkt und es bevorzugt, sich nun vier Jahre lang vom Spießbürgerblock regieren zu lassen.

NICOLAS STOCKMANN, Hamburg

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen