: Halbherziger Freispruch
■ Die Maguire Seven sind rehabilitiert — das Urteil ist ein Skandal/ Gericht bestätigte Untersuchungen von 1975
London (taz) — 16 Jahre nach der Verurteilung wegen angeblichen Bombenbastelns für die IRA hat das Londoner Berufungsgericht die „Maguire Seven“ rehabilitiert. Der Freispruch kommt freilich zu spät — die Angeklagten haben ihre Strafen längst abgesessen — und hat darüber hinaus einen schalen Beigeschmack: Das Gericht bestätigte die forensischen Untersuchungen, mit denen 1975 Sprengstoffspuren an den Händen der Angeklagten „nachgewiesen“ worden waren, befand jedoch, daß die Kontaminierung durch ein Handtuch im Badezimmer der Maguires stattgefunden haben könnte. Mit anderen Worten: Irgendjemand im Hause muß damals mit Sprengstoff in Berührung gewesen sein.
Gerry Conlon, einer der Guildford Four, die für die IRA-Bombenanschläge auf Kneipen in Guildford zu lebenslänglicher Haft verurteilt worden waren, hatte 1975 nach tagelanger Prügel in Polizeigewahrsam „gestanden“, daß ihm seine Tante Annie Maguire das Bombenbasteln beigebracht habe. Am selben Tag wurden alle verhaftet, die sich im Haus der Maguires in London aufhielten: Annie Maguire, ihr Mann Pat, ihre beiden Söhne im Alter von 13 und 16 Jahren, ihr Bruder, ihr Schwager Guiseppe Conlon und ein Nachbar, der lediglich seine Tochter abgeben wollte. Sie wurden einzig aufgrund der forensischen Tests zu Gefängnisstrafen zwischen vier und vierzehn Jahren verurteilt. Der schwerkranke Guiseppe Conlon starb 1980 im Gefängnis.
Als die Guildford Four 1989 wegen erwiesener Unschuld freigelassen werden mußten, geriet automatisch das Urteil gegen die Maguire Seven ins Wanken. Eine öffentliche Untersuchungskommission unter John May stellte im vergangenen Jahr fest, daß die Wissenschaftler im Maguire-Fall Beweise gefälscht und Entlastungsmaterial zurückgehalten haben. Dennoch sprach das Berufungsgericht sie jetzt von jedem Vorwurf frei. Der Labour-Abgeordnete Chris Mullins sagte gestern: „Das Urteil ist ein Skandal. Das Gericht hat ein Handtuch erfunden, um die Wissenschaftler reinzuwaschen.“ Patrick Maguire, der damals als 13jähriger zu vier Jahren Haft verurteilt worden war, erklärte, er habe „von diesem Rechtssystem nichts anderes erwartet“. Ralf Sotscheck
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