: Haiti: Suche nach politischer Lösung
■ Katholische Kirche fordert Oppositionsgruppen zu konkreten Vorschlägen für eine mögliche Regierungsumbildung auf / US–Botschafter hält sich zur Zeit zu politischen Gesprächen in den USA auf
Von Rita Neubauer
Port–au–Prince (taz) - Die Allianz aus 57 Oppositionsgruppen auf Haiti, verantwortlich für die vergangenen Demonstrationen, ist von diplomatischen Kreisen der Katholischen Kirche aufgefordert worden, Namensvorschläge für eine mögliche Regierungsumbildung zu erarbeiten. Das war am Dienstag in der Hauptstadt von oppositionellen Kreisen zu erfahren. Hauptforderung der „Gruppe der 57“ ist der Rücktritt der dreiköpfigen Regierungsjunta, bestehend aus General Henry Namphy, Verteidigungs– und Innenminister Williams Regala und dem frü heren Justizminister Luc Hector. Die Gruppe hatte sich formiert, als die Regierung das unabhängige Wahlgremium für die Wahlen im November dieses Jahres seines Amtes enthob. Mit Demonstrationen und Generalstreiks erreichte sie schließlich, daß die unpopuläre Entscheidung rückgängig gemacht wurde. Danach erklärte die Opposition, die sich aus Basisorganisationen und Gewerkschaften zusammensetzt, daß die Regierung das Vertrauen der Bevölkerung endgültig verloren hätte. An freien Wahlen zweifeln allerdings viele. Jean–Claude Bajeux, Mitglied der „Gruppe der 57“ und Vorsitzender der nationalen Menschenrechtsorganisation, äußerte gegenüber der taz: „Wir haben uns alle nach dem Sturz Baby Docs geirrt, als wir glaubten, daß die Übergangsregierung einen demokratischen Weg gehen würde. (...) Namphy will Wahlen, aber nicht unter einer unabhängigen Kommission. Der ehemalige Literatur–Professor an der Universität von Puerto Rico, der selbst Familienmitglieder unter der Duvalier–Diktatur verloren hat, möchte, daß vor allem die katholische Kirche, wie schon vor dem Sturz Duvaliers, zu einer entscheidenden politischen Kraft im Land wird: „Sie war bislang zu still, sie sollte eine stärkere Rolle übernehmen. Gleichzeitig hält er den Aufenthalt des US–Botschafters in den USA für ein Indiz dafür, daß Washington an einer Lösung des Konflikts arbeitet. Ein hoher Beamter, zuständig für Haiti, dementierte allerdings jede Einflußnahme der USA auf eine Regierungsumbildung und stufte den Besuch des Botschafters als „Arbeitsgespräch“ ein. Die USA, die nach jahrelanger Unterstützung im letzten Jahr Duvalier fallenließen, avancierten inzwischen selbst vom Befreier zum Buhmann. Beobachter vermuten, daß zwar in Washington Vorbereitungen getroffen werden, um notfalls einen neuen Staatschef eigener Wahl zu installieren, die USA aber möglichst lange an der alten Regierung festhalten wollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen