: Härtefonds vergißt „Vergessene“
■ Bremer „Regelung für vergessene NS-Opfer“ sieht 190.000 Mark für das Jahr 1989 vor / Ehemalige ZwangsarbeiterInnen weiter ausgeschlossen / Nur Landeskinder antragsberechtigt
Daß es „immer noch Opfer der nationalsozialistischen Gewalt
herrschaft gibt, die bisher nicht entschädigt worden sind oder sich in einer Notlage befinden“, stellte nach der dienstäglichen Senatssitzung dieser Woche der Senator für „Wiedergutmachung“, Konrad Kunick, auf 16 Zeilen Pres
seerklärung fest. Er kündigte Haushaltsmittel und eine „Bremer Regelung für vergessene NS-Opfer“ an, die auch in der Bonner Härteregelung vom März 88 vergessen blieben.
Bremen will 190.000 Mark für 1989 und 280.000 Mark für 1990 lockermachen. Konkrete Verga
be-Richtlinien werden noch beraten. Im Klartext: Mit mehr als 30 bis 40 „Vergessenen“ rechnet die Behörde 1989 offenbar nicht, da sie „Einmal-Leistungen“ von 5.000 Mark oder eine monatliche Rente von 500 Mark vorsieht.
Die Rechnung könnte aufgehen. Denn anerkannt wird nur,
wer heute noch Bremer oder Bremerhavener BürgerIn ist („Landeskinder-Regelung“). All die, die im Nationalsozialismus in Bremer Firmen wie der Wollkämmerei oder Klöckner Zwangsarbeit verrichteten, massive gesundheitliche und psychische Schäden davontrugen und nach Kriegsende ganz schnell Leute und oft auch Land verließen, sollen keinen Pfennig bekommen. Auch all die, die schon mal irgendeine „Entschädigungs-Leistung“ erhalten haben oder können, werden leer ausgehen, etwa die zwangssterilisierten und einmal mit 5.000 Mark abgefundenen Frauen.
Die Pressesprecherin im Amt für Wiedergutmachung, Susanne Kröhl, begründete gegenüber der taz die Landeskinder -Regelung: „Sonst gäbe es ja keine Eingrenzung, wir könntem das ja nicht nachprüfen!“ Selbst für Leistungen aus dem Bundes-Entschädigungs-Gesetz reichen aber inzwischen eidesstattliche Erklärungen der Opfer; auf Zeugen oder KZ -Papiere wird wegen des fortgeschrittenen Alters der Betroffenen oft verzichtet.
„Wir sind froh, daß es nach jahrelangen Abwehrkämpfen endlich eine Bremer Regelung gibt“, kommentierte der grüne
Bürgerschaftsabgeordnete Ralf Fücks gegenüber der taz, „aber die finanzpolitischen Ängste sind offenbar größer als die Bereitschaft zu einer angemessenen Geste des Respekts und der Hilfe.“ Die Grünen hatten seit 1985 immer wieder mit kleinen und großen Anfragen parlamentarischen Druck gemacht und schließlich im Frühjahr 88 als Bremer Konsequenzen aus der Bonner Härteregelung durchgesetzt, daß bis zum Herbst eine Landesregelung vorliegen solle. In allen grünen Anträgen war vorgesehen, all die, die unter dem Faschismus in Bremen gelebt und gelitten haben, zumindest finanziell zu entschädigen - auch, wenn die Opfer heute im niedersächsischen Delmenhorst oder in Israel leben.
In der nächsten Woche wird der Bremer Senat die „Frauen aus Obernheide“, ehemalige KZ-Häftlinge aus Stuhr, als Gäste begrüßen und ihnen ein Besuchsprogramm, eine Feier und einen Gedenkstein zukommen lassen. Für die Mittelvergabe kommen die Frauen nicht in Frage: Sie wollten nach dem Krieg lieber im Ausland leben. Kröhl: „Mit Geld kann man das Leid sowieso nicht aufwiegen.“
Susanne Paa
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