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■ KommentarHäppchenweise dulden

Bosnische Flüchtlinge sollen sich bloß nicht in Sicherheit wiegen, auch nicht die Frauen und Kinder. Die humanitäre Rückführung ins zerstörte Herkunftsland, den sensiblen Umgang mit traumatisierten Kriegsopfern hatte Innensenator Hartmuth Wrocklage höchst sozial und demokratisch versprochen.

Aber so ein bißchen Angst und Schrecken verbreiten, scheint sich da ein Paragraphenreiter in der Ausländerbehörde zu denken, kann ja nicht schaden. Klar ist, daß in diesem Fall kein Grund besteht, der betroffenen Frau und ihren Kindern die Duldung zu versagen. Denn: Laut Beschluß der Innenministerkonferenz werden erst die alleinstehenden Männer im „aufbaufähigen“ Alter „zurückgeführt“.

Frauen, und besonders diejenigen, die Opfer von Vergewaltigungen wurden, und Kinder stehen auf der Abschiebeliste ganz unten. Warum also die Duldung häppchenweise, warum die betroffenen Bürgerkriegsflüchtlinge mit der Vorstellung konfrontieren, bald die Habseligkeiten zusammenschnüren und mit den Kindern zurück zu müssen?

Die Antwort ist simpel und politisch gewollt: Die vertriebenen BosnierInnen sollen sich nicht aufs Bleiben einstellen, keine Pläne jenseits der mehr oder minder befriedeten Schlachtfelder schmieden, keine Zukunft in Deutschland sehen. Kurz: Sie sollen ein Leben auf gepackten Koffern führen.

Eine Duldung ist eine Duldung und endet dort, wo die Geduld der Behörde an die Ecken des Stammtisches stößt. Die Humanität hört auf, wo man formaljuristisch nicht mehr zu dulden braucht. Dann folgt die Abschiebung. Im Namen des Volkes. Silke Mertins

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