Habecks Plan zur schnellen Energiewende: Investieren, absichern, neu denken

Der Bundeswirtschaftsminister will Kraftwerksbauer unterstützen, damit sie schneller mehr Anlagen errichten. Ihm hängt nicht nur China im Nacken.

Alte Rotorblätter liegen vor Windkraftanlagen

Reußenkoog, Schleswig-Holstein im Juli 2022: kleine Windkraftanlagen werden durch leistungsfähigere Windturbinen ersetzt Foto: Jörg Böthling/imago

BERLIN taz | Um den Ausbau der Wind- und Solarenergie zu beschleunigen, peilt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zusätzliche finanzielle Unterstützung für Unternehmen an. „Wir müssen die Produktionskapazitäten für Erneuerbare Energien und Stromnetze in Deutschland und Europa stärken“, sagte Habeck nach einem Branchentreffen am Dienstag.

Der Grünen-Politiker nahm einen von ihm beauftragten Bericht der Deutschen Energie-Agentur entgegen. Daraus leitete er „drei prioritäre Maßnahmen“ ab: Erstens die Förderung für Investitions- und Betriebskosten, „zweitens Absicherungsinstrumente, um die Risiken für Hersteller von Windenergieanlagen oder beim Stromnetzausbau abfedern“ und „drittens eine starke Innovationsförderung“. Konkrete Programme und Fördersummen präsentierte Habeck aber noch nicht.

Die Überlegungen sind Reaktionen auf die komplizierte Lage der Branche. Einerseits will die Bundesregierung erreichen, dass schnell viele Windräder und Solarkraftwerke errichtet werden. Dadurch soll in den kommenden Jahrzehnten der Ausstoß von Treibhausgasen gegen Null sinken. Andererseits vergehen unter anderem wegen langwieriger Planungsverfahren meist viele Jahre, bis neue Wind- und Solarparks auch tatsächlich Strom liefern.

Hinzu kommt, dass es nur noch wenige Produktionskapazitäten für Solarmodule in Deutschland und Europa gibt. Der größte Teil dieser Technik wird aus China importiert. Selbst die meisten Maschinen für die Herstellung der Photovoltaikzellen kommen mittlerweile von dort.

Auch die USA sind ein Problem

Das könnte sich zum Problem auswachsen, wenn die Spannungen zwischen China und dem Westen zunehmen sollten. In der hiesigen Windindustrie sieht es aber besser aus. Wobei die Bundesregierung befürchtet, dass Windradhersteller in die USA abwandern, weil die dortige Regierung hohe Subventionen zahlen will.

So lautet die Frage: Wie lässt sich die Wind- und Solarbranche in die Lage versetzen, dass sie die europäischen Bedürfnisse erfüllen kann? Die angepeilten Zuschüsse für Investitionen und Betriebskosten könnten beispielsweise Herstellern von Photovoltaikmodulen helfen, in Deutschland und seinen Nachbarländern wieder eigene Produktionen aufzubauen.

Das geht allerdings nur, wenn die EU ihre Beihilferegeln ausweitet. Habeck denkt daran, die Förderung in Form von Steuergutschriften wie in den USA zu verteilen. Dann müssten Unternehmen keine komplizierten Anträge stellen, um Zuschüsse zu erhalten.

Überbrückungsfinanzierungen

Außerdem will das Wirtschaftsministerium ein „Konzept für einen nationalen, beziehungsweise europäischen Industriestrompreis“ erarbeiten. Für energieintensive Produktionen könnte die Elektrizität subventioniert werden, damit die Firmen nicht wegen zu hoher Kosten abwandern.

Mit dem Begriff „Absicherungsinstrumente“ sprechen die Fachleute ein Problem der Hersteller von Windanlagen an. Einige sind momentan nicht ausgelastet, weil die Genehmigungsverfahren lange dauern und zu wenig gebaut wird. Um die Lücke zu überbrücken, könnten die Firmen öffentliche Kredite erhalten. Die Produktion neuer Windräder würde damit sofort beginnen können, auch wenn die Genehmigung zum Bau erst später kommt. Diese Überbrückungsfinanzierung wird in der Windbranche für sinnvoll gehalten. Auch SPD-Energiepolitiker Timon Gremmels sieht darin „ein prüfenswertes Instrument.“ Eine Entscheidung hat das Wirtschaftsministerium dazu aber noch nicht getroffen.

Ohnehin ist fraglich, für welche Maßnahmen Habeck eine Unterstützung in der Bundesregierung erhält. FDP-Bundesfinanzminister Christian Lindner und seine FDP stehen derartiger „Industriepolitik“ skeptisch gegenüber, auch weil sie Milliarden Euro kosten könnte. Lindner will die Schuldenaufnahme im Bundeshaushalt 2024 stark verringern, wodurch die Bundesmittel insgesamt knapp sind.

Jörg Ebel, Präsident des Verbandes der Solarfirmen, begrüßte Habecks Initiative. Nach „zehn Jahren solarer Deindustrialisierung in Deutschland“ dürfe man sich nicht nur auf Importe verlassen. Hermann Albers vom Bundesverband Windenergie plädierte dafür, den Prozess der Flächenausweisung für Energieprojekte in Deutschland nochmals zu beschleunigen. Nach momentaner Gesetzeslage müssen die Bundesländer bis 2032 zwei Prozent ihrer gemeinsamen Fläche für Windenergie ausweisen. Dieser Zeitpunkt könnte auf 2027 vorgezogen werden, sagte Albers.

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