HSV kann nicht gegen Kiel gewinnen: Vom Wert des Unentschiedens

Auch im siebten Anlauf gelingt dem HSV in der Zweiten Fußball-Bundesliga kein Sieg gegen Holstein Kiel. Warum das 1:1 den Kielern mehr Freude macht.

Ein von generischen Spielern umringter Fußballspiler schießt

Wurde von den HSV-Fans schon vor dem ersten Ballkontakt ausgepfiffen: Fiete Arp Foto: Christian Charisius/dpa

HAMBURG taz | Die Frage ist, ob das Unentschieden als solches seinen Namen überhaupt zu Recht trägt. Demoskopen würden vermutlich sagen, man müsse es zumindest gewichten, um es richtig zu interpretieren. So wäre dann vielleicht zu verstehen, warum die HSV-Fans nach dem 1:1 gegen Holstein Kiel am Samstagabend pfiffen und Spieler wie Trainer sich bei ihnen entschuldigten, während bei den Kielern die Laune so gut war, dass ein mitgereister Reporter den Trainer Marcel Rapp fragte, wie sich „so ein Sieg“ anfühle.

In so eine Gewichtung müssten die Ausgangslagen mit einfließen: Die Kieler erleben nach ihrer rauschhaften Pokalsaison und dem knapp verpassten Aufstieg einen Kater. Sie haben wie jedes Jahr ihre besten Spieler verloren, der Trainer hat freiwillig einem weiteren Trainertalent Platz gemacht, der das Team aus dem Keller führen soll. Beim HSV, der etwa dreimal so viel fürs Personal ausgibt wie die Kieler, wird dagegen auch in der vierten Zweitliga-Saison mehr vom Aufstieg geredet, als dass er tatsächlich etwas damit zu tun hätte. Dafür sammelt er zu viele Unentschieden.

Hinzu kommt, dass die Hamburger offenbar eine Art Holstein-Kiel-Komplex entwickelt haben: Seit dem Abstieg in die Zweite Liga haben sie die „Störche“ nicht ein einziges Mal geschlagen. In seinem ersten Zweitligaspiel überhaupt war der HSV gegen Holstein im heimischen Volkspark mit 0:3 unter die Räder gekommen. Auf der Kieler Trainerbank verdiente sich damals ein gewisser Tim Walter seine ersten Meriten als Profitrainer. Torschütze damals: der Kieler Mittelfeldstratege Jonas Meffert.

Am Samstag nun coachte Walter den HSV und bot eben jenen Meffert auf (dass auf seinem Trikot „Meffort“ stand, war keine Häme gegen seinen Ex-Klub, sondern eine Aktion, mit der der HSV auf die Schwierigkeiten von Menschen mit Lese-Rechtschreib-Schwäche aufmerksam machen wollte). Gegen seine alten Kollegen blieb er blass und durfte sich nach einer guten Stunde auf die Bank setzen, zu David Kinsombi, den der HSV zwei Jahre vorher aus Kiel geholt hatte und der sich seither beständig zurückentwickelt.

Holtby dreht gegen seinen Ex-Klub auf

Auf Mefferts altem Stammplatz in der Kieler Elf spielte Lewis Holtby. Den Ex-Nationalspieler hatten sie beim HSV mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt. Gegen seinen Ex-Klub warf er mit einem starken Auftritt die Frage auf, ob das unbedingt nötig war. Und kurz vor Schluss fehlte kein halber Meter, dass er dieses Spiel entschieden hätte, das der HSV nach einem glücklichen Elfmetertor zu kontrollieren schien, aber nach Benedikt Pichlers frechem Ausgleich nach der Pause komplett aus der Hand gab.

Noch ein ehemaliger Hamburger darf sich im Kieler Dress die Lust am Fußball zurückholen: Fiete Arp wurde bei seiner Einwechslung von den HSV-Fans mit einem Pfeifkonzert begrüßt. Er galt mal als Riesentalent, wurde 17-jährig in der Abstiegssaison verheizt. Drei Millionen Euro spülte dem klammen HSV sein Wechsel zu Bayern München in die Kasse, wo Arp keinen Fuß auf die Erde bekam und sich nach Kiel ausleihen ließ. Was hat dieser immer noch 21 Jahre junge Mann den Leuten in der HSV-Fankurve bloß getan?

Nicht auszudenken, was los gewesen wäre, wenn er nicht gleich nach einer Minute mit einem scharfen Schuss gescheitert wäre. Dann dürften die HSV-Fans jetzt nicht einmal über den Wert eines Unentschiedens nachdenken.

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