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HIV-Test vor Adoption

■ Entscheidung des Amtsgerichts Schöneberg fordert HIV-Tests für Adoptionswillige / Beschwerde beim Landgericht abgeschmettert

Zusätzlich zu den ohnehin obligatorischen Gesundheitsuntersuchungen sollen sich adoptionswillige Eltern jetzt auch einem HIV-Antikörpertest unterziehen. Dies entschied, wie erst gestern durch eine Mitteilung des parteilosen Schöneberger Gesundheitsstadtrates Grün bekannt wurde, das Amtsgericht Schöneberg. Eine Beschwerde der Adoptionswilligen gegen diesen Beschluß beim Landgericht war erfolglos (AZ: 83 T 385/88). Das Gericht begründete seine Entscheidung mit dem Interesse am „Wohl des Kindes“. Dafür müßte auch die Durchführung eines HIV-Tests zugemutet werden können. Dies stelle keinen unangemessenen Eingriff in ihre Persöhnlichkeitsrechte und ihre Menschenwürde dar. Das Gericht führte weiterhin aus, daß es dem Entscheidungsbereich des Vormundschaftsgerichtes obliege, welche Untersuchungen für eine Beurteilung des Gesundheitszustandes der Eltern notwendig seien. Das Vertrauensverhältnis zu den Amtsärzten würde damit stark beeinträchtigt, so der Anwalt der Betroffenen, da diese verpflichtet würden, unter Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht Untersuchungsergebnisse im Detail, also auch HIV-Testergebnisse, mitzuteilen. Der Anwalt will Beschwerde beim Kammergericht einlegen.

Stadtrat Grün sieht durch den Beschluß die Berliner Linie im Kampf gegen Aids in Frage gestellt. Die Senatsjugend- und Gesundheitsverwaltung hatte 1987 in einem Rundschreiben mitgeteilt, daß HIV-Tests bei Adoptionswilligen nur dann in Betracht kommen, wenn sich bei der amtsärztlichen Untersuchung „konkrete Hinweise für eine Infektion oder die Zugehörigkeit zu einer der Hauptbetroffenengruppen ergeben“. Eine solche Entscheidung sei hierbei vom untersuchenden Arzt zu treffen.

Klaus Graf von der Deutschen Aids-Hilfe sieht für einen HIV -Test adoptionswilliger Eltern zur Gefahrenabwehr für das Kind keinerlei Notwendigkeit: „Bei jeglichem normalen Umgang mit Kindern besteht keine Gefahr einer möglichen Infektion.“ Eine ganz andere Gefahr sieht Stadtrat Grün: „Die Entscheidung der Justiz ist gesundheitspolitisch höchst bedenklich, weil sie auf staatlichen Zwangseingriff setzt. Wenn diese Entscheidung Schule macht, besteht die Gefahr eines Einstiegs in HIV-Untersuchungen von definierten Bevölkerungsgruppen.“

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