■ H.G. Hollein: Määäh!
Die Frau, mit der ich lebe, sucht gelegentlich nach Alternativen. Ich habe da meine Bedenken. Reichte sie mir doch unlängst eine Anzeige, die da lautete: „Junge Schäferfamilie sucht Praktikant/in im Stall und auf Wanderung“. Offenbar als Schaf, denn es wurde ja explizit auch noch ein/e „Schä-fer/in für Länger“ gesucht. Als die Gefährtin auf der gleichen Seite dann auch noch die fettgedruckte Frage nach „Lust an Schafen?“ entdeckte und darüber ins Sinnieren verfiel, ward ich endgültig der Notwendigkeit gewärtig, ihr scheinbar dringliches Sehnen in andere Bahnen zu lenken. Mein Verweis auf eine regelmäßige Annonce in einer englische Satire-Zeitschrift betreffend der Vorzüge eines „aufblasbaren Schafs für alle Gelegenheiten“ hatte gefährtinnenseitig allerdings eine bisher nicht ganz behobene Verstimmung zur Folge. Es fiel das Wort „widerlich“, und vor allem von mangelndem Respekt war die Rede. Bedenklich auch, daß ich mich nur zu gut erinnern konnte, wie die Gefährtin im letzten Schottlandurlaub sichtlich angetan einer mehrstündigen Live-Übertragung jenes anglo-insularen Straßenfegers folgte, der da „Sheepdog-trials“ heißt. Dabei steht eine einsame Schäfer/innengestalt regungslos inmitten eines gottverlassenen Ackers und läßt einen ansonsten lebensfrohen Schäferhund nur durch das Ausstoßen diskreter Pfiffe kreuz und quer über die Wiese jagen. „Siehst du?“ hatte die Gefährtin anschließend gesagt. Ich hege mittlerweile eine gewisse Ahnung dessen, was ich da sehen sollte. Zwar enthält sich die Gefährtin derzeit noch dezidiert caniner Kommandos wie „Sitz!“, „Lauf!“ und „Fuß!“, aber sie ist doch merkbar einsilbiger geworden. Ich hoffe ja, daß diese Phase vorübergeht, aber ich habe mich für alle Fälle schon einmal mit einigen Broschüren zum Thema „Dein Hund spricht zu dir“ eingedeckt. Was auch kommen mag, eine mangelhafte Konversation soll mir niemand vorwerfen können.
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