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■ H.G. HolleinBeutegunst

Die Frau, mit der ich lebe, wurzelt tief. Im Osten. Zwar redet die Gefährtin ob ihrer grau-grünen Augen gern von ihrem keltischen Erbe, aber bereits der erste Besuch bei unserer nunmehr langjährigen Frisörin resultierte in dem prompten Ausruf: „Na, mit dem Quadratschädel kommen Sie doch sicher aus Thüringen!“ Die Gefährtin vernahm es gar nicht gern. In der Tat muss man sie nur „Prot“ und „Klück“ sagen hören, um zu wissen, dass es im Thüringischen keine weichen Konsonanten, mithin weder „Brot“ noch „Glück“ gibt. Vollends verräterisch ist es, wenn die Gefährtin den schönen Ort „Zeulenroda“ aufs Breiteste zu „Zarräde“ zermahlt. Tatsächlich ist es nur der väterlichen Westwanderung anno 45 zu verdanken, dass die Gefährtin im Hessischen zur Welt kam. So darf ich mich denn wohl – als Gefährte einer Halbvertriebenen – mit Fug und Recht als Hitlers allerletztes Opfer betrachten. Und dafür steht mir ja wohl was zu. Interessanterweise hat Thüringen bisher noch keinen Antrag auf Rückgabe des genetischen Kunstwerks gestellt, das die Gefährtin zweifellos verkörpert. Einen solchen müsste ich auch entschieden zurückweisen, ist mir die Gefährtin doch geschichtlich rechtens zugefallen. Ehrlich gesagt hängt an ihr noch ein bisschen mehr dran. Mütterlicherseits hat sie nämlich Anspruch auf gewisse Ländereien im Taunus. Es handele sich, pflegt die Gefährtin abzuwiegeln, zwar lediglich um zwei brache Flecken irgendwo am Waldesrand, aber vor kurzem ist jenes schöne Wort „Baulanderschließung“ an mein Ohr gedrungen. Die Gefährtin verfügt also keineswegs nur über innere Werte. Folglich beharre ich mit allem Nachdruck darauf, dass in diesem Fall weder Rückgabe noch Entschädigung zur Diskussion stehen. Wer hat, der hat. Und deshalb würde ich die Gefährtin nicht mal als vorübergehende Leihgabe hergeben. Davon abgesehen kann sich das sowieso niemand leisten.

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