■ H.G. Hollein: Winterfreuden
Die Frau, mit der ich lebe, fährt gerne Schlitten. Unter anderem mit mir. Da trifft es sich gut, dass sich der Schnee heuer noch in Grenzen hält. Als würdiger Mitvierziger kommt man sich schließlich einigermaßen dämlich vor, eine allenfalls in ihrer Körpergröße noch als kindlich anzusprechende Gefährtin auf einem Uralt-Rodel die Bürgersteige Bahrenfelds entlang zu schleppen, bis endlich eine den Ansprüchen der Passagierin genehme Neigung gefunden ist. Aber – derweil die Gefährtin zarinnengleich eingemummelt und zigarettenrauchend auf ihrem Gefährtchen thront – der brave Mann legt sich halt klaglos in die Seile. Meine in jahrelanger Praxis erworbene Nonchalance wird allerdings bisweilen ein wenig auf die Probe gestellt. Vor allem, wenn von hinten ein munter anfeuerndes „Ho, ho, ho!“ zu hören ist, das bei Passanten ein, wie ich finde, unangemessen amüsiertes Schmunzeln hervorzurufen pflegt. Was ich in gewisser Weise genieße, sind die Momente kurz vor der Abfahrt, in denen ich dem Untersatz der Gefährtin mit einem kräftigen Fußtritt den letzten Anschub appliziere. Danach heißt es wieder, unbeteiligt tun, wenn Hamburgs weibliche Antwort auf Schorsch Ha-ckel mit allen Anzeichen infantiler Regression juchzend und kreischend talwärts schießt. Zum Verdruss der Gefährtin reichen meine Kräfte nicht aus, sie wieder bergan zu ziehen, was mithin den eigenfüßigen Aufstieg unerlässlich macht, der wiederum nikotinbedingt von Mal zu Mal kurzatmiger ausfällt. So weiß ich denn, dass der Gefährtin wintersportliche Anwandlungen eher kurz bemessen sind und es alsbald heißt: „Es zieht mich heim, Schatz.“ Da möcht ich den Gefährten sehen, der sich einem solch feinsinnig vorgebrachtem Sehnen verschließt.
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