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HARMONÄHE

■ In der „mannege“ fragten Männergruppen „Wohin mit den Männern?“

Nennen wir ihn Manfred. Er ist um die 40, Ehen, Alkohol und andere Drogen hat er hinter sich. Dafür hat er jetzt die „Gruppe“, und zwar gleich mehrfach, nämlich fünf in der Woche. Jeden Werktag bearbeitet er dort seine „Vaterphobie“ und seine „Mutterängste“. In den Gruppen, von Anonymen Alkoholikern, einer gemischt-geschlechtlichen Beziehungssuchtgruppe und schließlich einer Männergruppe, hat Manfred, wie er sagt, gelernt, sich mit anderen „auseinanderzusetzen und über seine Gefühle zu reden“. Heute abend (das heißt, am letzten Sonntag) ist Manfred, nun anscheinend auf die Gruppensucht umgestiegen, als Vertreter seiner Männergruppe in den Männerinfo- und Beratungsladen „mannege“ in der Uhlandstraße gekommen. Zehn Mitmänner aus einem halben Dutzend der etwa 30 bis 40 Männergruppen der Stadt sind auch hier, um von ihren Erfahrungen zu berichten. Hauptsächlich, so Manfred, sei er in der Männergruppe, um sich „aufgehoben und angenommen“ fühlen zu können. Dort könne er über seine Beziehung reden, darüber, wie es ihm geht und „was im Leben Schwierigkeiten macht“. Ein anderer wiederum, nennen wir ihn Peter, erzählt, was ihn in die Männergruppe getrieben hat. Natürlich war es auch bei ihm ein totaler Beziehungscrash, wie bei den meisten, doch Peter wollte auch „einen anderen Zugang zu Männern als im Sportverein oder am Arbeitsplatz“. Doch mit seinem Hauptproblem, nämlich „Nähe zu anderen Männern zuzulassen und meine weiblichen Anteile zu entwickeln“, ist er in der Gruppe noch nicht viel weitergekommen: „Zum Beispiel bei Geburtstagen, da bekennt sich keiner dazu und gratuliert mal, da vermisse ich die Hingabe, daß man auch mal was für den anderen tut. Wenn wir Frauen wären, habe ich den anderen gesagt, wär‘ das garantiert anders.“ Auch Körperkontakt lasse niemand in der Gruppe zu. Kein Wunder: hat man doch in Peters Gruppe gleich bei der ersten Sitzung abgecheckt, „ob hier jemand homosexuell ist“. Dem war nicht so, mann atmete auf und ging zur Tagesordnung über. „Die haben ja ihre eigenen Gruppen“, weiß Peter.

Aus fast allen Gruppen werden ähnliche Schwierigkeiten berichtet, privat unternehme man kaum etwas zusammen, entweder „bleiben wir auf der theoretischen Ebene hängen“, oder „alles säuft in Schein-Harmonie ab“. Die drei Grundübel, Angst, falscher Respekt und Konkurrenz werden gar nicht erst beackert. Und weil Männer eben gern nicht nur lieben, sondern auch machen lassen, lachen sich viele Gruppen einen begleitenden Therapeuten an, der die Kommunikationstörungen beheben soll. „MRT“, Männerradikale Therapie, heißt das Zauberwort. Ein Konzept aus Holland und USA nach dem Motto: wir loben uns regelmäßig, streiten uns zu zweit vor der Türe und fassen hinterher die Ergebnisse zusammen. Doch wie wird mann diesen steifen Rahmen später bloß wieder los?

An diesem Punkt bleibt die Diskussion hängen. Den Drang zum lauen Einverständnis kritisiert auch eine Gruppe bewegter Studies: „Selbsterfahrung ist ja eine schöne und wichtige Sache, aber wenn irgendwann jeder irgendwie jeden irgendwo versteht, bringt das nichts.“ Allein deshalb sei ein bißchen mehr Theorie bestimmt nicht falsch. Woher die stille Sanftheit aber kommt, mit der mann sich und die anderen schont, weiß keiner so genau: Liegt das Sensibelchen schon zu hoch im Kurs?

Vor „sieben, acht Jahren“ soll das alles noch ganz anders gewesen sein, meint der Moderator des kleinen Männertreffens, Matthias Bisinger von der „mannege“. Damals habe der bewegte Mann seine Agressionen noch 'rausgelassen, hätten sich Männergruppen noch gespalten, hätten sich Fraktionen gestritten. Mittlerweile gehe alles viel zu gesittet zu: „Ich habe das Gefühl, daß dadurch auch weniger Nähe, Spontaneität und Körperlichkeit möglich ist.“

Was genau die Gründe für diesen Niedergang sind, weiß Bisinger auch nicht. Allerdings will er beobachtet haben, daß sich die Männergrüppelei langsam aus „der alternativ -studentischen Szene hinaus verlagere“. „Zu uns kommen immer mehr ältere Männer, die in heftigen Krisen stecken und nach einer begleitenden Gruppe fragen.“ Gruppen, die sich hingegen als explizit politisch begreifen, ortet Bisinger nur noch an der Uni. „Aus den Männer-Plena des letzten Studi -Streiks hat sich einiges entwickelt.“ Ja, und dann gäbe es da noch die autonome „Männer-Kiezküche“...

kotte

Nächstes date in der „mannege“: Freitag, 25. Mai, 19.30 Uhr: „Können Männer lernen?“. Wilfried Wieck über Männergewalt und -liebe.

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