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Archiv-Artikel

„Fuck the FBI, fuck the CIA“: Steve Earle in der Fabrik Gutes Amerika

Das gute und das böse Amerika haben mitunter mehr gemeinsam, als ihnen lieb sein kann. Manchmal stehen sie auf dieselbe Musik, berufen sich auf dieselben amerikanischen Werte und haben dieselben Probleme mit Rauschmitteln. Doch einige Unterschiede gibt es noch zwischen Steve Earle und seinem Präsidenten, einige immerhin nicht ganz unwesentliche: Der eine hört Country-Rock, schützt die Interessen der amerikanischen Wirtschaft und mutierte nach Alkoholabhängigkeit zum wiedergeborenen Christen. Der andere spielt Country-Rock, pocht auf die freiheitlichen Grundrechte der amerikanischen Verfassung und landete wegen Crack und Heroin im Gefängnis.

Das letzte Album des – nach Eigenbezeichnung – „linken Redneck“ diente nicht den üblichen Absichten einer Plattenveröffentlichung wie Unterhaltung oder Geldverdienen, sondern nur einem einzigen Zweck: Die Wiederwahl von George W. Bush zu verhindern. Für The Revolution Starts. Now schrieb Earle jeden Tag bis zum Mittag einen Song, ging dann zur Sitzung seiner Abstinenzlergruppe und nahm dann mit seiner Band das Stück bis Mitternacht auf. Ein geregelter Tagesablauf mit reichlich Abwechslung. Mal schlüpfte Earle in die Haut eines Halliburton-Lastwagenfahrers im Irak, mal säuselte er sich eine ironische Liebeserklärung an Condoleezza Rice ab und mal war Earle einfach nur er selbst: „Fuck the FBI/ Fuck the CIA/ Livin‘ in the motherfuckin‘ USA“. Zentrales Stück auf seinem 16. Album ist „Rich Man‘s War“, in dem Earle die Parallelen herausarbeitet zwischen einem US-Soldaten und einem palästinensischen Selbstmordattentäter: Beide werden verheizt in einem Krieg reicher Männer, die mal am Öl verdienen, mal sich an Entwicklungshilfegeldern bereichern. Kein Wunder, dass Michael Moore begeistert ist: „Wäre ich ein Rockstar, dann wäre ich Steve Earle.“

Noch fehlt zur Vervollständigung des Verwertungszusammenhangs Michael Moores die eine oder andere Hitsingle, dafür trifft immerhin Steve Earle manchmal sogar den richtigen Ton. Meistens allerdings knurrt er seine Verlierergeschichten, bellt sie heraus und stellt sich in die Tradition all jener heldenhaften und nun bereits toten Figuren, die konsequent jenseits des etablierten Countrygeschäfts agierten: Johnny Cash grüßt er ausdrücklich in den Liner-Notes zu The Revolution Starts. Now, und Townes Van Zandt wurde der Lehrmeister des jugendlichen Steve Earle, bevor der nach Nashville ging, um dort als Songlohnschreiber seine Brötchen zu verdienen. 1986 stieg sein Debut-Album Guitar Town auf Platz eins der Country-Charts und es folgte ein dramatischer Abstieg: Sechs Ehen mit fünf Frauen und ungezählte Drogenexzesse später fand sich Earle im Knast wieder.

Seit zehn Jahren ist er nun trocken, lebt mit seinem Hund Beau zusammen und ist immer noch wütend. Er engagiert sich gegen Landminen und Globalisierung, spielt für FarmAid und das Justice Project, eine Initiative gegen die Todesstrafe, und korrespondiert mit Todeskandidaten. Endgültig zum Feindbild der amerikanischen Rechten avancierte er, als er sich nur ein Jahr nach 9/11 in „John Walker‘s Blues“ verständnisvoll und differenziert mit dem als amerikanischer Taliban zu Berühmtheit gelangten John Walker Lindh auseinander setzte.

An Steve Earle hat‘s also nicht gelegen. Aber Earle wusste schon vorher, dass, egal wer die Wahl auch gewinnen würde, Demokratie doch weiter „harte Arbeit“ bleibt. „Wenn einige diese Songs hören“, schrieb er in den Liner- Notes zum neuen Album, „ist die Wahl vorbei. Dann erst beginnt der richtige Kampf.“ Damals konnte er noch nicht wissen, wie recht er damit haben sollte. Thomas Winkler

Sonntag, 21 Uhr, Fabrik