: Gute Besserung!
betr.: Erfahrungen mit der Gesundheitsreform
Diagnose: Brustkrebs. Strahlentherapie von Mitte Dezember bis Ende Januar 2004, jeden Tag, außer an Feiertagen. Geknickt begebe ich mich eine Woche vor Weihnachten täglich zur Uniklinik Freiburg. Am dritten Tag der Bestrahlung prangt ein Informationsblatt an der Tür der Umkleidekabine: „An alle Patienten, die quartalsübergreifend in Behandlung sind … Am 2. Januar 2004 muss ein Überweisungsschein vorliegen. Liegt der Überweisungsschein nicht vor, müssen wir die Behandlung unterbrechen oder sie dem Patienten privat in Rechnung stellen … Denken Sie daran, dass Ihr Arzt möglicherweise in Urlaub geht …“ Privat in Rechnung: Vor meinem inneren Auge schrumpft mein Kontostand weit ins Minus. Behandlung unterbrechen: Vor meinem anderen Auge wächst der Tumor weiter, erfreut über die unerwartete Pause.
Zu Hause hänge ich mich sofort ans Telefon. „Ja, wir sind bis 6. Januar in Urlaub. Nein, einen Überweisungsschein können wir Ihnen jetzt nicht geben, der wäre am 2. Januar nicht mehr gültig“, so die Antwort von Praxis X. Gleicher Versuch bei meinem Hausarzt. Gleiche Antwort. Am nächsten Tag halte ich Rücksprache mit der Strahlentherapie der Uniklinik und schildere meine Sorge. „Kein Problem, Sie können die Überweisung auch nachreichen. Sie muss eben nur zurückdatiert sein auf den 2. Januar.“ Erleichtert atme ich auf. So einfach ist das! Glaubte ich!
„Zurückdatieren geht auf keinen Fall. Wir können die Überweisung nur mit dem 7. Januar ausstellen. Wir würden uns sonst des Betrugs schuldig machen.“ […] Aber ich brauche eine Überweisung für den 2. Januar. […] Mit zitternden Fingern wähle ich die Nummer der Urlaubsvertretung, entschlossen, notfalls Drohungen auszusprechen. „Ja, ich glaube schon, dass das geht. Wir haben zwar keine Krankenakte von Ihnen, aber kommen Sie am 2. Januar um 9 Uhr in die Praxis“. Am 2. Januar stehe ich pünktlich um 9 Uhr an der Anmeldung der Praxis Y. „Praxisgebühr bitte“, so die Antwort auf mein Anliegen. Natürlich, sage ich, krame in meiner Tasche und ziehe einen 50-Euro-Schein raus. „Wir nehmen nur passendes Geld! Tut mir Leid.“ Ich schaue verblüfft auf meine 50 Euro, dann halte ich Ausschau nach einem roten Sofa. Ich muss versehentlich in ein Stück von Loriot geraten sein. Anders kann ich mir das alles nicht erklären. „Aber ich …“, versuche ich es noch einmal. „Sie müssen irgendwo wechseln. Wir sind strikt angewiesen, nur passendes Geld zu nehmen.“
Ich kapituliere vor dem unerbittlichen Blick der Sprechstundenhilfe, suche eine Bank, um meine 50 Euro zu wechseln. Hoffnungsvoll komme ich zurück und bitte um die Überweisungen zu den Ärzten, die ich in diesem Quartal wegen meiner Erkrankung noch aufsuchen muss. „Wir können Ihnen nur die Überweisung für die Strahlentherapie geben. Die anderen müssen Sie sich bei Ihrem Hausarzt holen.“ „Aber dann muss ich die Praxisgebühr ja noch einmal zahlen.“ „Ja, das ist eben so“, kommt die knappe Antwort. Wut und Tränen steigen in mir hoch. Ein regelrechter Tumult zwischen mir und der Angestellten bricht in der Praxis Y los. Die Sprechstundenhilfe ist überfordert, ich bin überfordert. Wo sind die Verantwortlichen für diesen Schwachsinn? Schließlich erreiche ich, dass mir wenigstens noch eine zweite Überweisung zu meinem Gynäkologen ausgestellt wird, von wo aus ich mir dann – hoffentlich – die anderen holen kann. […] HILDEGARD MEISTER, Freiburg