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Gut gezielt

Das Benefizspektakel am Potsdamer Platz  ■ P I N K E L F L E U T

Architekturstudenten sollte man grundsätzlich verbieten, Musik zu machen. Unweigerlich werden sie blindwütige Aufbauhelfer einer ganz arg besseren Welt. Im Falle Pinkel Fleuts führte es nicht nur dazu, daß der einzige Kunststudent in ihrer Mitte, Sid Barrett, in Drogen, Wahn und die Arme seiner Mutter abgetrieben wurde, der Sound schwoll so mächtig an, daß Venedigs antiquiertes Inventar glatt zerbröselte. Nach dieser eher kleinen, wenn auch von den Italienern stark übertriebenen Leistung warten nun ganz andere Aufgaben in Großberlin: „The Wall“, bisher ein aufgeblasenes Weltschmerzgesamtschnulzwerk für schulmüde Gymnasiasten mit Hubschraubertick, wird mit echtem Leid unterfüttert. Im Angebot: Frische Mauerwunden, Kulturschocks, Ruinenpathos am authentischen Ort, Waschkörbe von „Entfremdung“ und viel, viel Gruselgeschichte. Und was das Historische Museum in der Fabriketage bisher nicht auf die Reihe kriegte, schafft Oberfloyd Roger Waters im Handstreich: Zweiter Weltkrieg, Hiroshima, Mauerbau und Mercedes werden in magischer Megashow überarbeitet und mit Hilfe der Royal Air Force aufgeklärt. Denn wo der Sturmwind der (Musik-)Geschichte fegt, steht ein Bomberpilot am Wegesrand und streichelt die Versehrten: Höchstpersönliche Sühne für die doch vielleicht etwas zu heftige Zerbröselung der Stadt samt tödlichen Folgen leistet der britische höchstbepflasterte Ordensbomber Captain Cheshire, Gründer einer Benefizorganisation, die zum Kopfgeld für internationale Behinderte und Katastrophenopfer aufruft, zum Tausch tot gegen lebendig: für jedes der hundert Millionen Kriegsopfer sind fünf Pfund Sterling, vorgesehen für je 1 Behinderten/Versehrten, zu spenden. Bitte für jedes verlorene (liegengelassene, verschlampte) Leben aber bitte nur eines retten. Hauptsache, die Rechnung stimmt. Genau aufs Elend gezielt und blutig verrechnet dürfte sich damit ein Fond von 500 Millionen englischen Pfund vergüten lassen. (Der Captain, nebenbei ausgezeichneter Tennisspieler, hatte auch sonst stets eine hohe Trefferquote). Freuen wir uns also jetzt schon darauf, wenn im multimulmigen Bandaid-Konzert die „Wall„-Inszenierung ihrem fraglosen Höhepunkt zutreibt: Echte Türken, Polen und Behinderte werden in einer perfekter Lichtshow an die echten Mauerreste getrieben, die Menge tobt, die Stimmung steigt, und der Captain läuft befriedigt mit dem Klingelbeutel herum, für einen ganz arg guten Zweck.

Dorothee Hackenberg

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