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Archiv-Artikel

angeschaut Gummi, Holz und Käsefüße

Hat man den „Fotoraum“ erst einmal betreten, steckt man drin. Unmerklich zunächst, doch bald wird es offensichtlich: eine Zeitschleife. Ausgelöst durch den immer selben Track, eine minimale, elektronische Gebetsmühle. Die gibt den Beat vor für die Video-Collage „Leibesübungen“ von Britta Fehrmann und Sibylle Mall: Man sieht Menschen, die turnen. Frauen in roten Hosen, Männer in blauen. Und sofort hat man ihn wieder in der Nase, diesen unverwechselbaren Turnhallenduft: abgeriebenes Gummi, Holz und Käsefüße.

Bei den Sportübungen handelt es sich um nachgefilmte Instruktionen aus einem 70er-Jahre-Übungsbuch. Auf Plexiglas werden den Originalzeichnungen die entsprechenden Video-Stills gegenüber gestellt, darunter die Instruktionstexte. Der Ernsthaftigkeit des Projekts und dem sportlichen Eifer der Darsteller wohnt eine gewisse Absurdität inne. Schmunzelnd stellt man fest: Hier geht es um die Ästhetisierung von Banalem.

Der Blick auf die Arbeiten von Daniela Bystron („Schematisch“) bestätigt dies. Auch sie transformiert Zeichnungen, allerdings rein fotografisch, mit dem Schwerpunkt auf Detailtreue. Laut lachen muss man, sieht man zum ersten Mal die nachinszenierten Bewegungsabfolgen aus einem Brigitte-Gymnastikbuch. Das Klischee der Zeichnung erhält im Foto eine absolute Schonungslosigkeit, je gestelzter die ohnehin schon konstruierte Ausgangssituation, desto künstlicher das Ergebnis.

Mit einer weiteren Fotoserie ist Sibylle Mall vertreten. „Umkleiden“ zeigt Menschen in Übergangsräumen. Hier findet Transformation auf einer anderen Ebene statt: Rollen werden abgelegt, und zusammen mit dem jeweiligen Sportdress wird die neue Rolle des Sportlers angenommen. Es entsteht ein harmonischer Dreiklang aus Mensch, Sportart und Raum, bei dem sich die Menschen selbst inszenieren – aus Überzeugung und mit Selbstbewusstsein. Gebannt steht man vor den Bildern und versucht herauszufinden, um welche Sportart es sich wohl jeweils handeln mag. Wer sich für den Nachwuchs abseits großer Museen und etablierter Galerien interessiert, sollte „umgekleidet“ nicht verpassen. Denn hier gibt es Humor und jede Menge Charme.

OLIVER MINCK

Fotoraum, Herderstr. 88, bis 20. März, Mo 15-18, Do 16.30-19.30, Fr 11-16 Uhr