: Guitarra con Guevara
■ Heather Nova dominierte ganz sacht mit Blumen im Pier2. Schlager und natürlich die Liebe feiern fröhliche Urständ
„Heidekraut, Erika“ steht im Wörterbuch unter „Heather“. Ein blumiger Name, der zu Novas Heather passt, wie die Blumen an ihrem Mikrophonständer und das berühmte Portrait von Guevara, das sie sich auf ihre akustische Gitarre geklebt hat. Heather Nova verkörpert das sensible und moderne Hippiemädchen, dessen größte Sünde es wäre, oberflächlich zu sein oder etwas anderes zu tun, als was das eigene Herz ihr sagt. Beruhigend: Die Freiheit wird nicht dazu missbraucht, sich Ungehöriges vorzustellen. So ernst ist der Guevara auch wieder nicht zu nehmen.
Heather Nova, auf die am Mittwochabend alles bis zum letzten Scheinwerfer ausgerichtet war, schreibt Songs, die ins Deutsche übersetzt durchaus unter dem Begriff des (anspruchsvolleren) Schlagers gefasst werden könnten. „Es gibt ein Paradies hienieden, das Leben könnte besser sein, würden wir die Welt sehen wie Verliebte“, singt sie sinngemäß in „Like Lovers Do“. So erhebt sie die Liebe zum Ideal, mit dem alle Unbill der Welt bezwungen werden kann, ganz wie im Schlager, in Hollywood oder sonst einer Ideologieschmiede. Im Rahmen eines Popkonzerts funktioniert das wie im Kino – nämlich für die Zeit, die der illusionistische Spaß dauert einerseits, andererseits aber auch nicht selten als Anspruch an die Realität, einschließlich der Leute, mit denen man es da zu tun hat.
Mit ihrem ersten Hit „Walk This World“ lancierte Nova bereits vor rund sechs Jahren das Image der charmanten Weltenbummlerin mit den elterlichen Neil-Young-Platten im Hippie-Hintergrund. Auf die Inszenierung dieser Figur war das Konzert im eher mäßig besuchten Pier2 konsequent zugeschnitten.
Ihre Band blieb nicht nur optisch fast über die ganze Länge im Hintergrund, die Leadgitarristin bekam nicht einmal bei ihren ohnehin seltenen Soli einen Spot. Klar: Es hieß ja auch nicht Heather Nova & Band oder so.
Am stärksten war sie ohnehin, wenn sie gleich ganz auf die Band verzichtete, die stilistisch und musikalisch beliebig blieb, weil sie nur in den engen Grenzen des Mainstream variierte – mal ein Schuss Psychedelik, mal ein Motown-Beat, mal eine verzerrte Gitarre, alles in homöopathischen Dosen. „Gloomy Sunday“, ein Song, den Nova nur vom Klavier begleitet vortrug, oder der erste Zugabenblock, zu dem auch eine Version des alten BeeGees-Disco-Fetzens „Staying Alive“ gehörte und bei dem sie nur von einem zweiten Gitarristen und ihrem Perkussionisten begleitet wurde, ließen die Band nicht vermissen.
Da konnte sie ihre stimmlichen Mittel am ehesten zur Geltung bringen, die sich allerdings bisweilen in Manierismen erschöpfen, so etwa, wenn sie regelmäßig zur Steigerung der Intensität in ein schmachtendes Falsett verfällt.
Aber daran störten sich ihre Fans natürlich überhaupt nicht. Sie genossen die elfenhafte Darbietung der hübschen Sängerin, die ein kurzweiliges Programm mit allen ihren Hits bot.
Andreas Schnell
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