■ Mit dem Schiffbauboom auf du und du: Grüße vom Finanzamt
Bremen (taz) – Auf den Werften an der deutschen Nord- und Ostseeküste herrscht an Arbeit kein Mangel. Schiffe im Wert von elf Milliarden Mark sind bestellt. Doch der weltweite Schiffbauboom wird offenbar weniger von der Nachfrage der Reedereien nach Frachtraum als von einer Hysterie am Kapitalmarkt getragen.
Die Krise könnte losbrechen, wenn die Bundesregierung ihre Steuervergünstigungen für Schiffbaubeteiligungen wie geplant streicht. Allein eine entsprechende Ankündigung aus Bonn habe den Werften rund um den Globus in wenigen Wochen knapp 100 Neubauaufträge auf Vorrat beschert, so der Hamburger Schiffbauexperte Jürgen Dobert.
Noch finanzieren deutsche SteuerzahlerInnen indirekt ein gutes Fünftel der weltweit in Auftrag gegebenen 2.500 Schiffe aller Typen. Denn der Neubau von Schiffen ist für gutbetuchte Anwälte, Manager und Zahnärzte aus Deutschland eine lukrative Geldanlage. Die Finanzämter gewähren großzügige Steuervergünstigungen wie sonst nur noch für Immobilien in Ostdeutschland.
Nach Doberts Berechnungen haben reiche Deutsche über mehr als ein Dutzend spezieller Beteiligungsfonds derzeit 539 Schiffe weltweit in Auftrag gegeben. Das ist weit mehr als Japan und die USA zusammengenommen.
Für die Anleger lohnt sich die Investition zumindest kurzfristig immer, besonders für Leute, die sonst Spitzensteuersätze von mehr als 50 Prozent bezahlen müßten: 125 Prozent Verlustzuweisung schon in der Bauphase des Schiffes läßt das zu versteuernde Einkommen beträchtlich sinken. Auf 80 Prozent der in der Seeschiffahrt erzielten Gewinne wird zudem nur der halbe Steuersatz fällig. Langfristig seien die Gewinnprognosen aber keinesfalls gesichert, warnen die Experten.
Im Zuge der Spardiskussion überlegt die Bundesregierung, die Steuervergünstigungen zu streichen. IG Metall und SPD fordern schon längst, die Steuergeschenke wenigstens an Aufträge an die gebeutelte deutsche Werftindustrie zu koppeln, um nicht mit deutschem Steuergeld Werftarbeitsplätze in Polen oder Südkorea zu subventionieren. jof
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen