: Grüner Streit über Tolerierung der CDU
Der Bündnisgrüne Köppl will einen CDU-Minderheitssenat tolerieren. Doch in der Fraktion steht er allein da. Schwarz-Grün paßt nicht zusammen, meint Ex-Senatorin Schreyer ■ Von Severin Weiland
In der bündnisgrünen Fraktion ist ein Streit um die künftige Oppositionsrolle entbrannt. Soll die Partei, wie es der gesundheitspolitische Sprecher Bernd Köppl in einem Papier vorgeschlagen hat, zusammen mit der SPD in einzelnen Sachfragen einen CDU-Minderheitsenat dulden?
Die Abgeordnete Renate Künast fiel „fast vom Stuhl“, als sie Köppls Modell las. Ihr Kollege habe „an der Realität vorbeiphilosophiert“, meinte sie gestern. Haushaltsexpertin Michaele Schreyer, die mit Köppl dem Realoflügel der Bündnisgrünen zugerechnet wird, lehnte bündnisgrüne Tolerierungmodelle kategorisch ab. Man sei aus „inhaltlichen und nicht aus modischen Gründen“ mit der rot-grünen Option in den Wahlkampf gezogen, Schwarz- Grün passe „nicht zusammen“, meinte sie gestern.
Mediziner Köppl will seine Vorschläge als „Hilfestellung“ für ein Ausscheren der SPD aus der Großen Koalition verstanden wissen. Für diesen Weg sei schließlich die Mehrheit der Fraktion, er habe sich nur eben Gedanken gemacht, „wie so etwas konkret aussehen könnte“. Sein Modell: CDU, SPD und Bündnisgrüne bringen ihre Vorschläge in die parlamentarische Diskussion und versuchen einen mehrheitsfähigen Antrag zwischen den Fraktionen auszuarbeiten. In vielen wichtigen Fragen wie Länderfusion, Hauptstadtplanung, Stopp der Verschuldung und Arbeitsmarktpolitik sieht Köppl zwischen allen drei Parteien „große Übereinstimmung“. Die Gefahr einer Auslieferung an einem CDU-Minderheitssenat schließt er aus: „Umgekehrt wird die CDU sich um Mehrheiten für ihre Politik bemühen müssen.“
Gefordert werde auch die SPD, die ansonsten in einer Großen Koalition auf den Part eines „jämmerlichen Mehrheitsbeschaffers“ für die CDU beschränkt bliebe. Ein Zugeständnis müßten sich die Bündnisgrünen laut Köppl dennoch abringen: nicht bei „nächstbester Gelegenheit“ einen Mißtrauensantrag gegen den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) zu stellen. Mindestens zwei Jahre sei so eine „stabile“ Minderheitsregierung tragbar, dann müsse neu überlegt werden: „Ein solches Modell kann nicht ewig dauern.“
Mit seiner Vision steht Köppl jedoch allein. „Das ist seine persönliche Meinung“, widersprach Fraktionssprecher Matthias Tang Pressedarstellungen, wonach sein Papier mit der Partei abgestimmt worden sei. Den gegenteiligen Schluß aus einem möglichen Rückzug der SPD auf die Oppositionsbänke zieht Künast. Dann müßten sich die Bündnisgrünen „eher radikalisieren“. Denn ansonsten drohe, was keiner in der Partei wolle: daß die PDS die Oppositionsrolle übernehme. Und Michaele Schreyer erinnerte daran, daß gemeinsame Abstimmungen der Bündnisgrünen mit SPD und CDU nichts Ungewöhnliches seien, und nannte die Zustimmung zum Fusionsvertrag. Daraus jedoch ein Tolerierungsmodell abzuleiten, lehnte sie ab.
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