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Grüner Schatz im Kampf der Ebenen

■ GAL-Kassenwart Kuhlmann warnt: Chaos gefährdet politische Handlungsfähigkeit

Als Freund klarer – und gerade deshalb selten unumstrittener – Worte kennen grüne Insider ihren Parteischatzmeister Carsten Kuhlmann seit langem. Auch in einem siebenseitigen internen Papier „Organisatorische und finanzielle Notwendigkeiten zum Aufrechterhalt der politischen Handlungsfähigkeit der GAL“, das der taz hamburg vorliegt, lässt er es an Deutlichkeit nicht mangeln. Die GAL halte, so Kuhlmanns warnender Befund, „mit sehr großem Aufwand ihre antiquierte Organisationsstruktur am Leben und hat keinerlei Ressourcen mehr für Politik“.

Der 43-Jährige, als Geschäftsführender Gesellschafter der Hamburger Solartechnikfirma „ad fontes“ mit betriebswirtschaftlichem Denken außerhalb der Grünen vertraut, stellt sich als Einziger aus dem zurückgetretenen Parteivorstand auf der Mitgliederversamlung am Sonntag zur Wiederwahl. Seine Analyse habe er geschrieben, so heißt es in dem Papier, weil er sich „mit offenen Karten bewerben“ wolle. Was wohl heißen soll: Wenn ihr weiterwurschteln wollt, sucht euch einen anderen.

Kuhlmanns Erkenntnis nach drei Amtsjahren als Kassenwart lautet, dass die Organisation der Partei völlig neu gestaltet werden „muss, nicht sollte oder könnte. Denn die Zeit zum zögerlichen Nachdenken haben wir nicht mehr“. Allein die finanziellen Verluste durch den Stimmeneinbruch bei der Hamburg-Wahl beziffert der Schatzmeister auf 300.000 Mark für das kommende Jahr. Das liegt besonders am Sinken der Wahlkampfkostenerstattung, die pro WählerIn berechnet wird.

Für Personal, Büros und sonstigen Verwaltungsaufwand des Landesverbandes und der sieben Kreisverbände, „die harten Haushaltsklötze“, sei aber der größte Teil des Etats bereits festgelegt. Würde daran nichts geändert werden , so Carsten Kuhlmann, ließe sich nur an den „weichen Positionen, den politischen Aktionshaushalten“ sparen. Seine Schlussfolgerung: „Wir müssen dieses Defizit wegorganisieren, sonst laufen wir mit den Ressourcen für tatsächliche politische Arbeit auf Null“.

Kuhlmanns Vorschläge für eine neue Parteiorganisation klingen wenig spektakulär, tatsächlich aber werden sie in der noch immer an basisdemokratischen Strukturen festhaltenden Basis für Zündstoff sorgen. Denn gerade aus dem „Ebenenkampf“ zwischen Kreisen und Landesverband, der nach Kuhlmanns Ansicht „teuer, ineffizient und nervtötend für alle Beteiligten ist“, ziehen manche grüne Kreisfürsten einen Teil ihrer Legitimation.

So dürften allein schon Forderungen nach „Planzahlen und gewissenhaftem Controlling“ für heftige Diskussionen sorgen, die Umstellung von Mitgliederverwaltung, Konten- und Buchführung auf ein zentrales System in der Landesgeschäftsstelle mag manche um ihre Autonomie bangen lassen. Auf wenig Gegenliebe dürfte auch der Vorschlag stoßen, Kreisgeschäftsstellen aufzulösen, in denen sich für wenige Stunden pro Woche „doch nur immer die üblichen 5 - 10 Aktivsten des Bezirks treffen“. Stattdessen sollte die Partei, so Kuhlmann, „die Präsenz grüner Politik“ stärken: „Grüne Zentren“ mehrerer Kreise, mit denen BürgerInnen „gezielt angesprochen werden“, schweben ihm vor, auch „grüne Läden“ in der Innenstadt, St. Pauli und der Schanze.

Jeder am Sonntag neugewählte Landesvorstand, dies das Fazit des als Parteilinker geltenden Schatzmeisters, müsse diese Aufgaben „schnell“ erledigen. Über die Strukturprobleme der Partei könne diese gern weiter streiten, aber „ignorieren dürfen wir sie nicht mehr“. Das wird Widerworte geben. Sven-Michael Veit

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