: Grüner Punkt ohne richtigen Glanz
Zum zehnten Geburtstag des Dualen Systems Deutschland ziehen Umweltexperten eine kritische Bilanz
HANNOVER taz ■ Zehn Jahre besteht das Duale System Deutschland (DSD), zehn Jahre der Grüne Punkt: Für den DSD-Vorstandvorsitzenden Wolfram Brück gestern Anlass genug, um das aus seiner Sicht ökologisch segensreiche Wirken seiner am 28. September 1990 gegründeten Firma noch einmal zu unterstreichen.
Rund 36 Millionen Tonnen gebrauchter Verpackungen habe das DSD seit seiner Gründung einer Verwertung zugeführt, und weil Kunststoffverpackungen fast immer aus Rohöl hergestellt werden, habe das DSD damit einen Beitrag zum sparsamen Umgang mit dieser Ressource geleistet. Der Anstieg des Rohölpreises sei „eine Vorausschau auf eine weltweite Verknappung der Ressource Erdöl“, und deswegen müsse man möglichst viele Erdölprodukte recyceln.
Zum Geburtstag des gelben Sacks meldeten sich gestern aber auch Umweltverbände zu Wort. Und deren Urteil über das DSD fällt zumindest widersprüchlich aus. Grundsätzlich sei das DSD „kein Anreizsystem um die per se wenig umweltfreundlichen Einwegverpackungen zurückzudrängen“, sagte BUND-Abfallexperte Walter Jungbauer.
Nach Angaben von Brück ist seit der Gründung des Dualen Systems der Pro-Kopf-Verbrauch an Verpackungen in der Bundesrepublik von 95 auf 83 Kilogramm zurückgegangen. Demgegenüber betonte allerdings der BUND-Experte: „Einen Rückgang beim Verpackungsverbrauch gab es praktisch nur in den ersten Jahren nach der Gründung des DSD.“ Und der habe fast ausschließlich Verpackungen aus Papier, Pappe oder Karton betroffen. Verschwunden seien etwa zusätzliche Verpackungen von Werkzeugen oder die Schachtel aus Karton, in der früher noch die Zahnpastatube steckte. Bei den problematischen Kunststoffverpackungen habe das DSD dagegen keinen Rückgang erreicht. Außerdem verleihe das System „Einwegverpackungen, die man zur Hälfte durch Mehrwegverpackungen ersetzen kann, einen falschen ökologischen Heiligenschein“.
Dennoch hält auch der BUND den Verwertungswegen des Dualen System zugute, dass sie „die Rohstoffe zumindest in einem gewissen Kreislauf halten“ und auf jeden Fall besser als die Deponie oder die Müllverbrennungsanlage sind.
Wenn das DSD von Verwertung spricht, muss man allerdings genau aufpassen. Etwa 30 Gewichtsprozent des Inhalts der gelben Säcke landen zur Zeit als „Sortierrest“ ohnehin umgehend auf der Restmülldeponie oder in der Verbrennungsanlage. Nach Angaben von Brück besteht dieser Sortierrest allerdings nur zu einem knappen Drittel aus Verpackungsabfällen. Das andere seien so genannte Fehlwürfe, also Müll, der von vorherein nicht in den gelben Sack gehört. Alles andere werde zu 100 Prozent verwertet.
Selbst wenn das stimme, müsse man, so Jungbauer, bei den Kunststoffen allerdings noch einmal differenzieren: Sie würden nur zur Hälfte wieder als Rohstoffe eingesetzt und ansonsten zu Öl oder Gas ausgespalten und anschließend zur Energieerzeugung, sprich: zum Verfeuern, genutzt. Jungbauer glaubt allerdings, dass das DSD mit seinen moderneren Anlagen, wie etwa der Sortec 3.0 in Hannover, seine Rohstoffausbeute erheblich erhöhen wird.
International ist der deutsche Grüne Punkt im Übrigen ein Renner. Mit Tschechien hat gerade das elfte europäische Land einen Lizenzvertrag mit dem DSD abgeschlossen.
JÜRGEN VOGES
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