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Grüner Horror vacui

Nach ihrer Niederlage in Bremen ergehen sich die Grünen in Selbsttröstungen. Erklärungen haben alle parat. Nur keine Antwort auf die Frage: Wie geht es weiter?  ■ Von Markus Franz

Bonn (taz) – Das Schönreden nach Wahlniederlagen müssen die Grünen noch üben. „Das Ergebnis ist zwar bitter“, sagte die Spitzenkandidatin der Bremer Grünen, Helga Trüpel, „aber nicht desaströs.“ „Der Absturz“, sagt die Sprecherin des Bundesvorstands Antje Radcke, „hat so nicht stattgefunden.“ „Die Niederlage“, sagt Umweltminister Jürgen Trittin, „könnte zum Sieg werden, wenn es doch noch zu einer rot-grünen Regierung kommt. Mit anderen Worten: Niederlage! Absturz! Bitteres Ergebnis!

Dabei ist es nicht so, daß die Grünen nicht einiges zu ihrer Beruhigung anführen könnten. Die Bürgerschaftswahlen in dem „Dorf“ Bremen, heißt es, hätten ihre eigenen Gesetze. Die Grünen hätten vor allem wegen des Kosovo-Krieges verloren. Dennoch habe die PDS erfreulicherweise nur 225 Stimmen von den Grünen gewonnen. Aber das sind nur Bemerkungen am Rande, die eher der Selbsttröstung dienen.

Selbst vor Fernsehkameras kann Antje Radcke nicht daran vorbei, eine grundsätzliche Krise der Grünen einzugestehen. „Wo stehen die Grünen konzeptionell?“ fragt die Parteisprecherin und fordert, daß die Grünen mehr eigene Stärken in den Vordergrund rükken müßten. Zudem müsse die Kluft zwischen der Popularität von Außenminister Joschka Fischer und der Darstellung der Basis überbrückt werden, „und zwar von beiden Seiten“. Muß Fischer also in Zukunft weniger erfolgreich sein?

Noch versuchen sich einige Grüne, den Kosovo-Krieg als Erklärung für die sinkende Popularität ihrer Partei heranzuziehen und damit sogar Hoffnungen zu verknüpfen. „Wenn es nun zum Frieden kommt, die Nato-Bombardements zum Erfolg führen“, sagt etwa die Abgeordnete Michaele Hustedt, „dann ist ein Stück Verunsicherung weg.“ Dann gelte der Grüne Joschka Fischer als derjenige, der durch seinen Friedensplan eine neue europäische Außenpolitik kreiiert habe.

Aber wie sehr wird Fischer den Grünen überhaupt noch zugerechnet? Und kann ein Friedensschluß die Bedenken an dem Kosovo-Krieg nachträglich zerstreuen? Ralf Fücks, Ex-Senator in Bremen und Chef der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung, sagt, der Kosovo-Krieg erkläre lange nicht das „ganze Debakel“. Schließlich sei die Hälfte der ehemaligen Grünen-Wähler zur SPD gewandert und auch an die CDU habe man verloren. „Enttäuschung“ über die rot-grüne Regierung und das mangelnde Profil der Grünen nennt Fücks als Hauptgrund für das Abrutschen der Grünen. Und wenn Trittin sage, so Fücks, es habe sich um die zweite Realo-Niederlage nach der Hessen-Wahl gehandelt, könne er nur erwidern: „Die bescheidene Performance von Jürgen Trittin in der Energie- und Umweltpolitik hat uns genauso viele Stimmen gekostet wie der Kosovo-Krieg.“

„Wahrscheinlich noch mehr“, ergänzt ein Grüner, der nicht genannt werden will. Die Finanzexpertin der Grünen, Christine Scheel, vermutet, daß die Unzufriedenheit mit der grünen Politik lediglich in der Kritik an der Kosovo-Politik ihren Ausdruck finde. Es spielten viele andere Themen eine Rolle, wie etwa der mißglückte Atomausstieg. Auch die Geschichte mit dem Benzinpreis von fünf Mark befinde sich noch in den Hinterköpfen. Dadurch seien insbesondere viele jüngere Wähler verprellt worden. Ein anderer Grüner gibt die Hauptschuld den „unprofessionellen Strukturen“ sowie dem „dilettantischen Führungspersonal“, das nur aufgrund von „Strömungsproporz“ in die Ämter gekommen sei. Nur etwas moderater spricht Ralf Fücks von „personellem und programmatischem Vakuum“.

Aber da ist auch Hoffung. Hoffnung, die sich hinter den immer wieder geäußerten Worten „Umwälzungsphase“ und „Umbruchsituation“ verbirgt. Einerseits, so heißt es immer wieder, verlieren die Grünen Protestwähler, denen die Grünen zu staatstragend sind, andererseits verlieren sie Wähler, denen die Grünen als Regierungspartei zu wenig professionell erscheinen. Das aber sei ein vorübergehendes Problem. Die neuen Wähler könne man eben erst dann gewinnen, wenn die neue Rolle gefestigt ist.

Aber was ist die neue Rolle? Antje Radcke fällt auf Anhieb nur die Grundsicherung ein. Ralf Fücks schlägt vor, sich unter anderem des Themas Bildungspolitik anzunehmen. Andere setzen auf eine erfolgreiche Sparpolitik, eine Rentenreform, die zu mehr Eigenverantwortung auffordert und einen Niedriglohnsektor. Schon monieren immer mehr Grüne: Ihr werdet ja immer mehr wie die FDP. Ein Abgeordneter der Grünen sagt dazu: „Alle müssen ein Stückchen weit wie die FDP werden“. Allerdings, fügt er hinzu, „sind wir natürlich sozialer“.

„Die bescheidene Performance von Jürgen Trittin hat uns genauso viele Stimmen gekostet wie der Kosovo-Krieg.“

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