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Grüne wollen Fücks in Bonn

■ Ex-Bürgerschaftsabgeordneter und Bundesvorstandssprecher wird Spitzenkandidat zur Bundestagswahl

Lothar Matthäus vor Boris Becker, Ralf Fücks und einer gewissen Ulla Cords - so lautet die aktuelle Rangliste bei den Bremer Grünen: Während 400 verkabelte Bremer Grüne es gestern vorzogen, Boris Beckers hauchknappe Wimbledon -Niederlage im heimischen Fernsehgerät zu verfolgen oder dem Fußball-WM-Endspiel entgegenzuzittern, machte es ein Häuflein von exakt 82 stimmberechtigten Mitgliedern im Bürgerhaus Weserterrassen nicht ganz so spannend: Unter der Bedingung, die Versamlung spätestens eine Stunde vor dem Anpfiff in Rom zu schließen, kürten sie sie ihren ehemaligen Bürgerschaftsabgeordneten und zeitweiligen Bundesvorstandssprecher Ralf Fücks in zwei Wahlgängen zum Spitzenkandidaten für die bevorstehenden Bundestagswahlen.

Im ersten Wahlgang war Fücks noch knapp an der zuvor beschlossenen Zwei-DrittelMehrheit gescheitert. Fücks erhielt 50, sein einziger Gegenkandidat, der 40jährige Lehrer Walter Ruffler, 29 Stimmen. Im zweiten Wahlgang, bei dem die einfache Mehrheit ausreichte, langten die jetzt 54 Stimmen für Fücks.

In seiner Vorstellungsrede hatte Fücks dafür geworben, die ökologische Frage wieder zum Kristallisationspunkt grüner Politik überhaupt zu machen: „Die

Ökologie ist die Achse, um die wir alle anderen Politikfelder herum neu definieren müssen. Was für die Sozialdemokratie Ende des letzten Jahrhunderts die 'soziale Frage‘ als Maßstab aller übrigen politischen Konflikte war, ist für uns heute die Ökologie.“ Angesichts der drohenden Klimakatastrophe müsse auch das ureigene Klientel der Grünen, die „alternative Mittelklasse“, ihren Lebensstil überdenken. Handfest unmittelbares Ziel des Kandidaten: „Ich will das Mandat auch nutzen, um in Bremen endlich das Monopol der SPD zu brechen.“

Neben Beifall mußte Fücks sich allerdings auch scharfe Kritik gefallen lassen: „Ich bitte euch ausdrücklich, Fücks nicht zu wählen“, forderte ein Versammlungsteilnehmer. „Ralf Fücks hat als Bundesvorstandssprecher versucht, die Grünen zu spalten und Linke aus der Partei auszugrenzen. Fücks steht für die Verwandlung der Grünen in eine grün angehauchte FDP.“ Während sein Gegenkandidat, Walter Ruffler, seine Kandidatur mit konkreten energiepolitischen Projekten verknüpft habe, habe sich Fücks auf „mit Fremdworten versetzte rhetorische Floskeln“ beschränkt.

Eine Kanidatin, der nach Quotenregelung und Parteibeschlußlage, im Zweifelsfall Platz eins der Liste zugestanden hätte, fand

sich nicht. Die grüne Beiratssprecherin im Stadtteil Östliche Vorstadt, Ute Treptow, die auch im anschließenden Rennen um Platz zwei unterlag, begründete ihren Verzicht auf eine Bewerbung um den Spitzenplatz: „Mir war klar, gegen Ralf hätte ich ohnehin

heine Chance gehabt. Eine solche Niederlage wollte ich mir nicht antun.“ In einer Frauen-Mitgliederversammlung hatte die Mehrheit zuvor beschlossen, auf ein Veto gegen einen männlichen Spitzekandidaten zu verzichten.

K.S.

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