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Grüne verlieren WählerInnen an die SPD

■ Jede Menge Wechselwähler und deutlicher Sympathiezuwachs für die CDU

Die CDU ist der echte Wahlgewinner in Bremen: So simpel gab Landeswahlleiter Dieter Matthey gestern gegenüber der taz die positive Stimmbilanz der Bürger-schaftswahlen wieder. Die Christdemokraten erreichten nämlich mit ihren landesweit 37,09 Prozent ein „so hohes Ergebnis wie noch nie“ in Bremen. Nur „zulegen“ konnte dagegen die SPD: Sie kam auf 42,55 Prozent der Stimmen – erreichte jedoch nicht ihre einstigen Spitzenzahlen von über 50 Prozent.

Zwar verzeichneten die Sozialdemokraten in allen Ortsteilen außer „Leher Heide“ steigende Stimmanteile. Doch mit CDU-Spitzenwerten wie in Oberneuland (62,9 Prozent) konnte die SPD nicht aufwarten. „Solche Werte muß man suchen“, sagte Matthey – und bilanzierte: Die Christdemokraten hätten es „vermocht, gerade ihr Stammwählerpotential besser als in der Vergangenheit zu mobilisieren und in ihren Hochburgen eine deutliche Vormachtstellung zu erreichen“. Auch in großen Wohnsiedlungen wie z.B. Tenever (45,92 statt 38,01 in 1995), hätten sie durch gezielte Werbung hohe Wählerprozente erreicht.

Die Gewinne der Großen gingen offenbar auf Kosten der Kleinen. Das hänge auch mit der geringen Wahlbeteiligung zusammen: So gingen nur rund 60 Prozent aller Wahlberechtigten zur Wahl. Ein „historischer Tiefstand“, der sich diesmal aber gerade nicht bei den großen Parteien niedergeschlagen hat – sondern bei den kleineren Parteien. So kam die AfB nur noch landesweit auf 2,44 Prozent (1995: 10,67). Die Grünen rutschten auf 8,96 Prozent ab (1995: 13,06 Prozent).

Doch Gründe für das mögliche Fernbleiben enttäuschter Grünen- und AfB-Wähler deuteten die Analytiker nur vage an: Der Kosovo-Konflikt dürfte für die „Anhängerschaft keiner Partei als so wahlrelevant empfunden worden sein“ wie für die Grünen, mutmaßten sie. Und urteilten über die AfB, sie sei damals noch mit dem „außerordentlich populären Friedrich Rebers“ erfolgreich gestartet. Jetzt kam es dagegen zum „herben Rückschlag“.

Wieviele Stimmen Grüne und AfB zudem an andere verloren haben, konnten die Statistiker auch nicht sagen: Das Landeswahlamt analysiert keine Wechselwählerschaften. Eine Umfrage für den NDR ergab jedoch: Je 8.000 frühere Grüne- und AfB-Wähler haben diesmal für die SPD gestimmt. Weitere 9.000 AfB-Wähler hätten sich für die CDU entschieden.

Aber auch ein Blick auf einstige Grünen-Festungen verrät: Im Steintor, Fesenfeld und Ostertor hält jetzt die SPD den höchsten Stimmenanteil. Außerdem erreichte die PDS ihre höchsten Anteile gerade dort, wo die Grünen die stärksten Verluste hinnehmen mußten: So kam die PDS im Steintor auf satte 14,2 Prozent (1995: 10,4). Die SPD legte fast zehn Prozent zu (von rund 20 auf rund 30 Prozent), die CDU um rund drei Prozent. Die Grünen verloren acht Prozent und stehen nun bei 29,07 statt 37,12 Prozent 1995).

Einziger „kleiner“ Profiteur der geringen Wahlbeteiligung ist laut Landeswahlleiter Matthey die DVU. Sie hätte von der besonders geringen Wahlbeteiligung von 51,8 Prozent in Bremerhaven profitiert, dort 5,99 Prozent der Stimmen erreicht und so einen Sitz in der bremischen Bürgerschaft ergattert. Warum die Partei der Nichtwähler so groß sei, könne man allerdings nur vermuten: So nehme die Wahlbeteiligung tendenziell ohnehin bei Kommunalwahlen immer mehr ab.

Zusätzlich könnte auch der „sehr konsensuale statt konfliktuative Wahlkampf“ zwischen den beiden großen Parteien zu einer so großen Wahlmüdigkeit geführt haben. Besonders wahlmüde waren dabei die 21- bis 25jährigen. Von ihnen gaben nur 41,1 Prozent ihre Stimme ab. Aber auch die 30 bis 35jährigen kamen nur auf eine Wahlbeteiligung von 50,7 Prozent – während einzig die 60 bis 70jährigen mit 71,6 Prozent Wahlbeteiligung aufwarteten. kat

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