: Grüne Quoten — gute Quoten?
■ Eine Anhörung in Bonn zum Thema Einwanderer: der Auftakt zu einem anstehenden grünen Streit
Bonn (taz) — Ozan Ceyhun freut sich: „Endlich ist es den Grünen gelungen, das Thema Einwanderer von einer Seite zu behandeln, die bisher bei uns tabu war.“ Ceyhun, Mitglied im Grünen-Bundesvorstand, hat recht: Erstmals stellte die Grüne Fraktion gestern öffentlich ein Herzstück grüner Theorie in Frage: das der offenen Grenzen für alle Menschen, die hierher einwandern wollen.
Die für AusländerInnenpolitik zuständige Bundestagsabgeordnete Erika Trenz hatte eine Anhörung zum Thema „Brauchen wir ein Einwanderungsgesetz?“ organisiert. Geladen waren mehrheitlich WissenschaftlerInnen, JuristInnen, GewerkschafterInnen, PolitikerInnen, die ein grünes Einwanderungsgesetz verlangen — und damit auch jährliche Quoten und Kontingente für EinwanderInnen.
„Kleineres Übel“, „kaum erwünscht, kaum umgänglich“, keine der BefürworterInnen behauptete, eine (grüne) Quote löse die Armutswanderung von Süd und Ost nach Nord. Und alle nahmen Asylbewerber und Verfolgte aus der Diskussion aus. Dennoch: Was sie von solcherlei grünen Grenzen erwarten, ist hoch gesteckt. Jene, die über die Quote kommen würden, könnten legal hier leben, legal hier arbeiten und wären — nach einem grünen — Einwanderungsgesetz sozial abgesichert. Derart argumentierte etwa Yilmaz Karahasan, vom Vorstand der IG Metall. Auch „Einfluß aufs öffentliche Bewußtsein“, so formulierte es der Migrationssoziologe Klaus Geiger, erhofften sich die befürwortenden Sachverständigen von einem solchen Gesetz: Wenn zwischen Flüchtlingen und Verfolgten einerseits und Einwanderern andererseits unterschieden würde, hätten Asylbewerber nicht mehr mit dem Image der „Schmarotzer“, so Geiger, zu kämpfen.
„Staatliche Anwerbeprogramme sind immer Lohndrückerprogramme“, kritisierte dagegen etwa Franz Scheurer, von der grünen Bundesarbeitsgemeinschaft ImmigrantInnen und Flüchtlinge die Quotenpläne. Er warnte davor, Einwanderungspolitik an Arbeitsmarktpolitik zu knüpfen, die sich — je nach Lage der Konjunktur — ständig ändert.
Wovon sowohl BefürworterInnen und GegnerInnen von grünem Gesetz und Quoten ausgehen: Der Streit ums Einwanderungsgesetz wird ein entscheidender für die Grünen. Ozan Ceyhun sah dem gestern vor Bonner Journalisten optimistisch entgegen: „Die Situation vor Ort wird viele Grüne zum Umdenken zwingen.“ Ferdos Forudastan
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen